Wir verraten alles über die Uhrenkrone, die seit 1894 zwei zuvor getrennte Funktionen zusammenfasst: das Aufziehen und Einstellen der Uhr. Unser Titelbild zeigt die Big Pilot´s Watch von IWC. Foto: © Mathieu Bonnevie

Wenn man sich mit der Geschichte der Uhrenkrone beschäftigt, kommt man an einem Namen nicht vorbei: Omega. Der stand indes keineswegs von Anfang an für den 1848 in La Chaux-de-Fonds gegründeten Uhrenhersteller. Erst 1894 kam er als Beiname eines Uhrwerks für Taschenuhren ins Spiel. Bei dem berühmt gewordenen 19-Linien-Kaliber von Louis Brandt & Frères fasste die Uhrenkrone zwei zuvor getrennte Funktionen zusammen. Mit ihr wurde sowohl die Uhrfeder aufgezogen als auch die Uhrzeit eingestellt. Damit revolutionierten die Schweizer für alle Zeit die Usability von Uhren, wie man heute sagen würde.

Der Kampf um die Krone

Der Erfolg der mit der neuen Uhrenkrone ausgerüsteten Modelle war nachhaltig. 1903 avancierte man zum größten Schweizer Hersteller von Fertiguhren. Im selben Jahr wurde der Name des für Vollendung stehenden letzten Buchstabens des griechischen Alphabets zum neuen Markennamen. Omegas Lauf hätte endlos weitergehen können, wäre nicht ungefähr zeitgleich ein gewisser Hans Wilsdorf auf die Idee gekommen, nach London zu emigrieren. Uhrenkundige wissen: Hierbei handelt es sich um die Vorgeschichte der Gründung von Dauerrivale Rolex. Es begann ein langer Kampf um die Krone, den der Herausforderer am Prestige und an den Umsatzzahlen gemessen für sich entscheiden konnte.

Für den Aufstieg von Rolex mit am ausschlaggebendsten war die Einführung der „Oyster“ im Jahre 1926. Waren Armbanduhren eben erst modern geworden, konnte man seine Rolex nun notfalls sogar beim Durchschwimmen des Ärmelkanals anbehalten. Der legendäre, zur Vermarktung genutzte Rekordversuch der Schwimmerin Mercedes Gleitze von 1927 bewies es. Hans Wilsdorfs Kommentar bei einer Präsentation vor Uhrenhändlern lautete damals wie folgt: „Gentlemen, we make the best wristwatch in the world.“ Es muss für ihn eine große Genugtuung gewesen sein. Nachweislich hatte Wilsdorf schon 1914 davon gesprochen, einen Weg finden zu wollen, Uhren wasserdicht zu machen.

Wenn es drückt: Bei der C63 Sealander Elite von Christopher Ward lässt sich die Uhrenkrone im Dienste des Tragekomforts versenken. Foto: © Christopher Ward

Als die Uhrenkrone dicht wurde

Eine Voraussetzung für die Verwirklichung der ersten wasserdichten Uhr von 1926 war die Abdichtung der Uhrenkrone. Ehedem ein Haupteinfallstor für Wasser und Staub, war sie bei der Rolex Oyster verschraubbar. In den 1940er-Jahren lösten andere das Problem mit aufschraubbaren Kronenkappen respektive Überwurfmuttern. Der gravierende Nachteil der Lösung: Sie beraubte die Uhrenkrone vorübergehend ihrer Funktion.

Bei der 1953 vorgestellten Rolex Submariner kam erstmals das sogenannte Twinlock-System zum Einsatz, welches über eine doppelte Dichtung verfügte. Das machte sehr viel Sinn, da man sich hiermit an Personen richtete, die sich bei Pionieren wie Hans Hass und Jacques-Yves Cousteau sozusagen mit dem Tauchvirus angesteckt hatten. 1970 folgte mit dem Triplock-System eine dreifach abgedichtete und verschraubte Uhrenkrone, die von ihrer hochbeanspruchbaren Konstruktion her Ausstiegsluken von Unterseebooten ähnelt. Sie ist mittlerweile Standard bei sämtlichen Taucheruhren von Rolex.

Die Wanderung der Uhrenkrone

Ebenso zum Standard bei den zum Tauchen vorgesehenen Modellen aus Genf zählt der Flankenschutz, der die Uhrenkrone gegen seitlichen Stöße abschirmt. Doch es gibt weitere wirkungsvolle Ansätze. Naheliegend ist die Verlagerung der Position der Uhrenkrone – aus dem Gefahrenbereich bei drei Uhr. Auf den Tragekomfort zahlt das überdies ein, obschon alles eine Frage des persönlichen Geschmacks ist. Typische abweichende Positionen sind jedenfalls vier Uhr – etwa bei Uhren von Squale oder Seiko – und acht Uhr (zum Beispiel Citizen). Modelle für Linkshänder, bei denen sich die Krone bei neun Uhr befindet, erfüllen für Rechtshänder denselben Zweck.

Was normalerweise die Uhrenkrone verbindet, wurde bei der Girard-Perregaux Cosmos getrennt: Das Einstellen der Funktionen und Aufziehen der Uhrfeder erfolgt auf der Rückseite. Foto: © Girard-Perregaux

Man kann natürlich eine Armbanduhr mit Krone bei drei Uhr genauso gut am rechten statt am linken Handgelenk tragen. Darüber hinaus existieren Modelle mit versenkbarer Krone bei drei Uhr. Die britische Marke Christopher Ward bietet ein solches an. Die Uhrenkrone der in der Schweiz produzierten C63 Sealander Elite verschwindet fast vollständig. Wem das nicht genügt, findet beispielsweise mit der Girard-Perregaux Cosmos eine Uhr, die an die Zeit vor den ersten Uhrenkronen erinnert. Das Aufziehen und das Verstellen der Uhrzeit sind hier wieder voneinander getrennt und die entsprechenden Einstellbügel wie bei alten Taschenuhren auf der Gehäuserückseite angebracht.

Anklänge an neuere Taschenuhren wiederum weisen die Erzeugnisse der Uhrenmanufaktur Bovet auf. Bei ihnen sitzen die Kronen bei zwölf Uhr, was spezielle Bandanstöße erfordert.

Die Uhrenkrone als Eyecatcher

Wer den „gerändelten Knopf“ (wie man früher sagte), der den einstigen separaten Aufzugschlüssel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ersetzte, nicht als störend empfindet, wird möglicherweise mit einer Armbanduhr von Cartier glücklich. Typisch für die Marke ist der auffällige Abschluss der Uhrenkrone mit einem Schmuckstein im nach außen gewölbten Cabochonschliff. Hübsch anzusehen ja – nur leider gleichermaßen empfindlich und daher im Prinzip lediglich als Dress Watch tauglich.

Bei Panerai ist die Uhrenkrone aus einem anderem Grund der Eyecatcher. Sie ist bei den meisten Modellen mit einem Schutzbügel versehen. Ein zusätzlicher Arretierhebel presst im verschlossenen Zustand die Uhrenkrone sicher nach unten. Besonders praktisch: Ist der Arretierhebel geöffnet und die Uhr dadurch ungeschützt, kann man das anders als bei gewöhnlichen Kronen – egal ob verschraubbar oder bloß zum Hineindrücken – nicht übersehen. Was mit funktionalen wasserdichten Uhren für Italiens Marine anfing, ist heute ein zur Richemont-Gruppe gehörendes Luxusunternehmen.

Typisch für die Marke Squale: Bei der 1521 Classic COSC hat die Uhrenkrone den Gefahrenbereich bei drei Uhr verlassen. Foto: © Squale

Alles nur ein Anachronismus?

Ob eine Uhrenkrone tatsächlich etwas taugt, zeigt sich immer erst dann, wenn man mit ihr die Uhrzeit oder das Datum verstellt. Wer sich heutzutage eine Fliegeruhr anschafft, wird dabei zwar selten wie in den frühen Tagen der Aviatik Handschuhe tragen. Dennoch ist die Griffigkeit ein echter Vorzug. Zudem erfreut sich der markante Look der Uhren mit den überdimensionierten Fliegerkronen von Marken wie IWC (unser Titelbild) anhaltend großer Beliebtheit. Nicht zuletzt drückt sich hierin eine vielfach vorhandene nostalgische Gestimmtheit aus. Beziehungsweise Sehnsucht nach einer verlorenen Zeit, in der statt Spuren des Wegwerf- und Plastik-Zeitalters überall noch unberührte Natur und Abenteuer lockten.

Aber ist nicht die ganze Beschäftigung mit Uhren – insbesondere mit mechanischen Modellen – ohnehin ein einziger eskapistischer Anachronismus? Das provoziert sogleich die Gegenfrage: Wo wären wir, wenn sich alle Menschen ausnahmslos wie Lemminge dem allgemeinen Trend folgend der Digitalisierung und Vernetzung vollends unterwerfen würden? Vor anderthalb Jahrhunderten wies ein US-Schriftsteller namens Charles Warner darauf hin, dass Konformismus uns halb zu Grunde richtet. Gleichzeitig betonte er allerdings, wir wären ohne ihn komplett ruiniert. Demgemäß lässt sich die Uhrenkrone im Zeitalter der Touchscreens und Smart Devices als eine liebenswerte Rebellin beschreiben.

Weitere Informationen zu den wichtigsten im Beitrag erwähnten Marken:

Girard-Perregaux
www.girard-perregaux.com

IWC International Watch Co. AG
www.iwc.com

Omega SA
www.omegawatches.com

Rolex SA
www.rolex.com

Bildhinweis:
Unser Titelbild zeigt die Big Pilot´s Watch von IWC.
Foto: © Mathieu Bonnevie

 
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