Als die Rado DiaStar vor 60 Jahren vorgestellt wurde, passte sie gut zum Zeitgeist. 2022 wird die erste kratzfeste Uhr der Welt neu aufgelegt. Foto: © Rado

Als Rado im April 1962 die erste kratzfeste Uhr der Welt vorstellte, trafen die Schweizer damit hinsichtlich des Zeitgeistes genau ins Schwarze. Die DiaStar 1 passte zu dem vorherrschenden, allenthalben spürbaren Glauben an eine bessere Zukunft, an technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt. Große Signalwirkung besaß der Beginn der Präsidentschaft von John F. Kennedy und das von ihm ausgegebene Ziel, einen Menschen auf dem Mond landen lassen zu wollen – das größte Abenteuer aller Zeiten. Niemand konnte ahnen, dass nur Monate später die Kubakrise die Menschheit an den Rand ihrer Selbstvernichtung führen würde. Der Ausgang dieses Ritts auf der Rasierklinge im Oktober 1962 ist bekannt. Die Vernunft siegte über den nuklearen Wahnsinn. Das Damoklesschwert indes schwingt unvermindert weiter über unseren Köpfen.

Alleinstellungsmerkmal Design

Kehren wir lieber zurück zu einem erbaulicheren Thema. Eine Uhr sollte die genaue Uhrzeit anzeigen. Aber auch die Spuren der Zeit? So ungefähr muss die Überlegung ausgesehen haben, die dem 1917 als Uhrwerkfabrik Schlup & Co. gegründeten Hersteller von Rohwerken, der Ende der 1950er-Jahre den Markennamen Rado für seine eigenen Uhren einführte, schließlich ein klares Alleinstellungsmerkmal einbrachte. Bemerkenswert am Design der DiaStar ist die Tatsache, dass die Lünette als der für Kratzer anfälligste Teil des Uhrengehäuses auffallend groß dimensioniert ist. Ein Stück weit ist das mit dem Zeitgeschmack zu erklären, der seinerzeit nach wuchtigeren Formen verlangte. Gleichzeitig wollte man wohl zeigen, dass sich so viel Oberfläche gefahrlos exponieren ließ, da erstmals unempfindliches Hartmetall zum Einsatz kam. Des Weiteren entschied man sich für gleichfalls kratzfestes Saphirglas.

Wie zeitlos ist ewige Schönheit?

Eine wenn nicht ewige, so zumindest deutlich längere Makellosigkeit ist im Sinne der Lebensdauer und Nachhaltigkeit erstrebenswert. Eine andere Frage ist die psychologische Obsoleszenz. Wie zeitlos ist eine Form? Altert sie gut oder wirkt sie schon bald wie ein Fossil (Assoziationen mit einer US-amerikanischen Uhrenmarke sind unbeabsichtigt) und somit nicht länger wie etwas, das man begeistert und vielleicht mit Stolz trägt? Die DiaStar war im Grunde nie ganz weg und wurde noch weiterhin verkauft, als Rado in der Folgezeit – unter dem Dach der Swatch Group – mit schwarzen „Hightech“-Keramikuhren zu reüssieren begann und dabei ein weiteres Mal werkstoffliche Kompetenz und Pioniergeist bewies. Neben den betont flachen und schnittigen Modellen der Linien Ceramica, Integral und Sintra wirkten die Uhren aus Hartmetall jetzt ein wenig barock. Also kein Design für die Ewigkeit?

Jubiläumsversion der DiaStar präsentiert

Mittlerweile ist es um die keramischen Erfolgslinien ebenfalls stiller geworden und das Material, wenngleich man es im Marketing nach wie vor gern herausstellt, für Uhren zunehmend gewöhnlich. Eine Chance für die DiaStar auf ein großes Comeback? Zum 60. Jubiläum jedenfalls präsentiert Rado zu einer Neuauflage der DiaStar in der altbekannten Optik außerdem ein von dem Schweizer Designer Alfredo Häberli gestaltetes Jubiläumsmodell (unser Titelbild). Statt aus Hartmetall ist die Lünette diesmal jeweils aus Ceramos hergestellt. Der von Rado vielfach genutzte, rechtlich geschützte Werkstoff verbindet die gesteigerte Kratzfestigkeit von Keramik mit einem metallischen Glanz.

So kennt man die DiaStar seit Jahrzehnten. Bei der Neuauflage besteht die Lünette nicht mehr aus Hartmetall, sondern aus Ceramos.

Bei der von Häberli entworfenen Version ist der typische Facettenschliff der DiaStar-Saphirgläser neu interpretiert. Er weist eine auffällige hexagonale Form auf. Für das Zifferblatt ersann er eine Alternative zur klassischen Wochentagsanzeige der anderen Modelle. Oberhalb des Datumsfensters bei sechs Uhr wächst im Laufe der Woche ein Strich aus Leuchtmasse, bis er das entsprechende Fenster vollständig ausfüllt. Nicht wirklich exakt ablesbar, doch das kann von den Uhren insgesamt ohnehin nicht behauptet werden, denn sie besitzen keine Minuterie.

Alltagstauglich und unempfindlich

Dem Erfolg der Marke aus Lengnau hat dieses Prinzip bereits bei den Keramikmodellen nicht geschadet. Uhren sind seit Längerem eher Schmuck mit funktionalem Mehrwert und Ausdrucksmittel der Persönlichkeit. Allerdings gibt es genügend Uhren, die beides können, die gleichermaßen als präzises und perfekt ablesbares Instrument und als schmückendes Accessoire fungieren. Die (ungleich teureren) Uhren von Rolex zum Beispiel.

Auf die Alltagstauglichkeit der DiaStar zahlt zusätzlich zur Unempfindlichkeit gegenüber Kratzern die Wasserdichtigkeit von 100 Metern ein. Schwimmen ist also möglich, Tauchen hingegen nicht. Auf die Missverständlichkeit dieser Angaben und die hydrodynamischen Hintergründe sind wir in der Vergangenheit an anderer Stelle eingegangen.

Nicht aufregend, dafür grundsolide

Ordentlich zu nennen ist darüber hinaus das verbaute, mit 80 Stunden Gangreserve aufwartende Automatikwerk. Nichts, was Menschen mit Kennerschaft in Verzückung geraten lässt – daher würde sich ein Sichtboden kaum lohnen –, dennoch eine grundsolide Sache, die zu einer Uhr mit Anspruch auf Zeitlosigkeit besser passt, als die lange Zeit bei Rado vorherrschenden banalen Quarzwerke. Getragen wird die Uhr am Edelstahlband (bei der Jubiläumsversion als Milanaise) oder am alternativen Textilband.

Das Preis-Leistungs-Verhältnis der im sehr niedrigen vierstelligen Bereich angesiedelten DiaStar ist gemessen an dem, was heute allgemein für mechanische Modelle aufgerufen wird, als günstig zu bezeichnen. Das mag daran liegen, dass Rado in den letzten Jahren einerseits einen Teil seiner technologischen und gestalterischen Strahlkraft eingebüßt hat und andererseits über keinerlei nennenswertes uhrmacherisches Renommee verfügt. Dieses ist für die eidgenössische Uhrenindustrie im Wettstreit mit sogenannten Smartwatches aus Asien immer überlebenswichtiger. Es verleiht Marken wie beispielsweise Girard-Perregaux, Jaeger-LeCoultre oder Zenith eine stärker ausgeprägte Preissetzungsmacht und nicht zuletzt mehr Sophistication. Ein unzulässiger Vergleich? Nun, Äpfel und Birnen lassen sich durchaus sinnvoll in Beziehung setzen, um auf klare Unterschiede aufmerksam zu machen. Davon angesehen: Wenn es darum geht, sich optisch vom Mainstream abzusetzen, bleibt Rado gewiss eine interessante Wahl.

Weitere Informationen:
Rado Uhren AG
www.rado.com

Bildhinweis:
Für alle Fotos gilt: © Rado

 
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