Ist ein frugaler bis vermeidender Umgang mit Ornamenten die Voraussetzung für hohe Gebrauchstauglichkeit? Die von klassizistischer Ästhetik geprägten Modelle der Marke Breguet beweisen das Gegenteil. Foto: © Breguet

Möchte man veranschaulichen, was hohe Gebrauchstauglichkeit ausmacht, kommen einem schnell Beispiele aus der Tradition von Bauhaus oder HfG Ulm in den Sinn. Man denkt eventuell an Designende wie Dieter Rams oder Gerd A. Müller. Deren Entwürfe scheinen in ihrer schnörkellosen Sachlichkeit den Geist von „Form follows function“ zu atmen. Beziehungsweise das, was darunter landläufig verstanden wird. Bei Uhren zum Beispiel fallen einem vielleicht die Designs von Max Bill ein, des Schweizer Architekten, Künstlers und Mitbegründers der HfG Ulm. Oder die sich ungebrochen großer Beliebtheit erfreuenden Fliegeruhren – gemacht für ultimative Ablesbarkeit. Weniger aufdrängen werden sich Gedanken an die von klassizistischer Ästhetik geprägten Modelle der Marke Breguet. Das könnte daran liegen, dass ein frugaler bis vermeidender Umgang mit Ornamenten vielfach für die Voraussetzung für hohe Gebrauchstauglichkeit gehalten wird.

Interessanterweise war nicht einmal Louis Sullivan, auf den das zum Mantra erhobene Motto von der Form, die der Funktion folgen soll, zurückgeht, Ornamenten gänzlich abhold. Zahlreiche seiner Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Bauten beweisen es.

Vormoderne Avantgarde

Noch ein weiteres Jahrhundert zurück führt uns die Auseinandersetzung mit dem seinerzeit innovativen Stil von Abraham Louis Breguet. Ab 1775, dem Gründungsjahr seiner Manufaktur, löste er in der Uhrmacherei die ehedem vorherrschende, für die Ablesbarkeit wenig hilfreiche Überladenheit des Rokoko ab. Das macht den 1747 in Neuenburg (Neuchâtel) geborenen Breguet zu einer Art Pionier der Gebrauchstauglichkeit. Dank einer langen Reihe von Erfindungen zählt er überdies zu den wichtigsten Uhrmachern aller Zeiten. Wie avantgardistisch seine Vision war, ist heute nicht mehr ganz leicht nachvollziehbar. Aber dann müssen wir uns beispielshalber nur vergegenwärtigen, wie anders mittlerweile sogar bereits sportlich gemeinte Uhren aus den frühen 1960er-Jahren wirken. Nämlich meist elegant und sophisticated. „As time goes by …“

Zugegeben, indem die inzwischen zur Swatch Group gehörende Marke Breguet mit der Linie „Classique“ die Designsprache ihres Gründers fortschreibt, zitiert sie die typischen Merkmale wie die gebläuten Breguetzeiger mit ihren markanten durchbrochenen Pomme-Spitzen aus einem etwas anderen Kontext. Und zwar dem der Taschenuhren. Diese wurden bekanntlich in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg allmählich von Armbanduhren verdrängt. Hiermit ging durchaus ein Verlust an Raffinesse und ästhetischer und kunsthandwerklicher Formvollendung einher. Am deutlichsten zeigt sich das bei den billigen Quarzuhren, mit denen Japan in den 1970er-Jahren die Märkte überflutete und dadurch die Schweizer Uhrenindustrie in eine tiefe Krise stürzte.

Gegen Abkürzungen

Das bringt uns zu einem anderen Aspekt, der immer wichtiger wird. Indem man Dinge allein auf die nackte Gebrauchstauglichkeit reduziert und zu schmucklosen und austauschbaren, massenhaft anonym produzierten Gebrauchsobjekten entwertet, geht etwas verloren, das im Sinne der Nachhaltigkeit ein großes Potenzial beinhaltet. Erzeugnisse wie jene von Breguet dienen als lebenslange Begleiter. Auch bei ihnen folgt die Form der Funktion. Allerdings nicht über eine industrielle Abkürzung, sondern einen meilenweiten kunsthandwerklichen Umweg. So zumindest wird man die reich mit Clous-de-Paris-Guillochis verzierten Uhren aus Sicht der für die alsbaldige Entsorgung produzierenden und permanent nach weiteren Einsparmöglichkeiten fahndenden Hersteller von Massenwaren wohl interpretieren müssen.

Gleiches gilt für Details wie den von Hand gehämmerten goldenen Erdtrabanten aus der Mondphasenanzeige der Breguet Classique Calendrier 7337. Ihn umgeben fein sandgestrahlte Wolken. Und ein mit blauem Lack und Paillettensternen überzogener Himmel. Die nachgerade obsessive Liebe zum Detail, die sich hierin ausdrückt, macht vor dem mechanischen Innenleben nicht Halt. Bei so manch anderer Uhr fragt man sich angesichts der Ödnis nicht dekorierter Werke aus dem Fabrikregal, ob es nicht besser gewesen wäre, auf einen Sichtboden zu verzichten. Rolex hat hier also mit seinen ausnahmslos blick- und wasserdichten Böden durchaus einen Punkt. Bei Breguet hingegen entginge einem ein famoser Augenschmaus. Zusätzlich zu den bildschönen und dennoch optimal ablesbaren Zifferblättern. Sie sind nichts anderes als zeitlose Usability de luxe.

Weitere Informationen:
Montres Breguet S.A.
www.breguet.com

Bildhinweis:
© Breguet

 
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