Es gibt im Leben wahrhaftig Wichtigeres als die Beschäftigung mit Armbanduhren. Da aber Zeit (ein anderes Wort dafür ist Gesundheit) das Wertvollste überhaupt ist, wird die Begeisterung für das, was manche funktionalen Schmuck nennen, vermutlich nie enden. Zwar hat die Quarz-Revolution Uhren großteils zu seelenlosen Wegwerfprodukten und die sogenannte Smartwatch sie sogar fast vollends zu einem Spielball der Obsoleszenz gemacht. Trotzdem sind sie noch nicht ganz verschwunden: Objekte, die uns zeitlebens treu begleiten und faszinieren; handwerkliche Erzeugnisse der Métiers d’Art, die – wie es eine berühmte Schweizer Manufaktur in ihrer Markenkommunikation ausdrückt – einem eigentlich nie ganz gehören, weil man sie nur für die nächste Generation bewahrt. Einige der schönsten Preziosen der Haute Horlogerie wollen wir im Folgenden kurz vorstellen.
Als Blender-Uhren ungeeignet
Ein Hinweis vorweg: Die über vollendete Uhrmacherkunst weit hinausreichenden Modelle sind äußerst exklusiv. Wer die Frage nach dem Preis stellt, wird sie sich wahrscheinlich nicht leisten können. Wir haben jedoch schon immer die Meinung vertreten, dass es bei diesem wunderbaren Zeitvertreib auf die Hingabe und die Kennerschaft ankommt – und nicht darauf, wie viel eine Uhr kostet. So gibt es in nahezu jeder Preislage Großartiges zu entdecken. Demgegenüber ist Snobismus stets Ausdruck fehlender persönlicher Reife und abgekürzter Denkprozesse. Wobei viele der begehrenswertesten Uhren im Gegensatz zu „Blender-Modellen“ für die infantile Ostentation ohnehin zu dezent sind.
Bezüglich der hier präsentierten Uhren müssen wir allerdings einschränkend zugeben, dass sie als die Speerspitze künstlerischer Veredelung in puncto Auffälligkeit kaum zu überbieten sind. Mit effekthascherischem „Bling-Bling“ hat das dennoch nicht das Geringste zu tun, dafür sehr viel mit der stilsicheren Beherrschung inzwischen seltener handwerklicher Techniken.
Métiers d’Art Hommage an große Entdecker
Auf die Bedeutung der durch eine Vielzahl von Erfindungen nach und nach erreichten chronometrischen Genauigkeit von Schiffsuhren für die moderne Seefahrt haben wir in der Vergangenheit verschiedentlich hingewiesen. Indem wir uns selbst auf eine Art Entdeckungsreise begeben, macht es Sinn, mit den neuesten Modellen der Métiers d’Art Hommage an große Entdecker aus dem Hause Vacheron Constantin zu beginnen. Nachdem zuvor Magellan, Zheng Hé, Christoph Kolumbus und Marco Polo gewürdigt wurden, erinnern die neuen, von einer Karte aus dem Miller-Atlas von 1519 inspirierten Uhren an drei der bedeutendsten portugiesischen Seefahrer: Bartolomeu Dias, Vasco da Gama und Pedro Álvares Cabral.
Während eine andere, wesentlich jüngere Marke in grandioser Selbstüberschätzung behauptet, von ihren Uhren ließe sich statt der Zeit die Geschichte ablesen, ist Vacheron Constantin ein wahres und höchst lebendiges Denkmal der Uhrengeschichte. Unaufgeregt spiegeln das die streng limitierten Modelle der Kollektion Métiers d’Art wider. Künstlerisch und handwerklich sind sie durch nichts und niemanden zu übertreffen.
Der perfekte Rahmen für ein Meisterwerk
Das Vasco da Gama gewidmete Modell zum Beispiel zeichnet eine der wichtigsten Entdeckungsreisen der gesamten Epoche nach, die von Portugal bis zu den Küsten Indiens führte. Die Abbildung der Seeroute auf dem zweiteiligen Grand-Feu-Email-Zifferblatt ist das herrlich detaillierte und farblich fein nuancierte Ergebnis von einem Monat Arbeit und insgesamt elf Brennvorgängen bei einer Temperatur zwischen 800 und 900 °C. Für den perfekten Rahmen der meisterlichen Zifferblätter sorgen 41 Millimeter große Gehäuse aus 18-karätigem Rotgold. Der transparente Gehäuseboden ermöglicht die Betrachtung des Manufaktur-Kalibers 1120 AT, das den prächtigen Zifferblättern ebenbürtig ist.
Die Zeitanzeige der über eine Gangreserve von 40 Stunden und eine Wasserdichtigkeit von 30 Metern verfügende Uhr ist ebenfalls originell und sehenswert. Unter dem oberen Teil des Zifferblatts verborgen liegt das Stundenrad mit seinen drei Ausläufern. Sie tragen jeweils vier Stundenziffern, die in einem Bogen von oben nach unten über den feststehenden Minutenkreis wandern und dabei gleichzeitig die Minuten anzeigen.
Bewegende und bewegte Komposition: Jaquet Droz Magic Lotus Automaton
Auch bei Jaquet Droz versteht man sich auf die Fertigung von bewegenden mechanischen Kunstwerken, die im Fall der Magic Lotus Automaton noch dazu bewegt sind. Der üppig verzierte Automat im 43 Millimeter großen Gehäuse aus Rot- oder Weißgold stellt einen aufwendig animierten Zen-Garten mit Teich, Lotosblumen, Libelle und Koi-Karpfen dar – und mit ihm die vier Jahreszeiten oder, je nach Interpretation, den Kreislauf des Lebens. Drei Jahre dauerte die Entwicklung des aus über 500 Komponenten zusammengesetzten Werks, das eine mehr als vierminütige Animation ablaufen lassen kann. Das weckt Erinnerungen an die legendären, vor bald 300 Jahren entstandenen Androiden von Pierre Jaquet-Droz.
Allein die Anzeige der Gangreserve ist eine kleine Sensation. Eine von Hand geformte und bemalte Libelle aus Rotgold erhebt sich von einem Lotosblatt oder lässt sich auf diesem so lange nieder, bis das Werk erneut aufgezogen wird. Der Koi-Karpfen kann sich gleich zweifach in Bewegung setzen. Zum einen auf und ab, so als tauche er unter den Lotosblättern hindurch. Zum anderen vermitteln Schwanzschläge den Eindruck, als schwömme der Fisch durch die Strömung des Wassers. Die wiederum machen scheinbar darin schwimmende goldene Seerosen zusätzlich sichtbar. Besonders zauberhaft ist zudem die Lotosblüten-Animation als Teil des eigentlichen Hauptmotivs: Ein farbiges Schauspiel aus abwechselnd erscheinenden Edelsteinen – blauer und gelber Saphir sowie Rubin.
Große Welle und Matterhorn: Blancpain Métiers d’Art
Statisch, doch keinesfalls fade ist unser drittes Beispiel. Es stammt von Blancpain, also ebenso aus der Schweiz. Die Manufaktur warb in den 1980er-Jahren damit, man habe niemals Quarzuhren hergestellt und werde das niemals tun. Stattdessen entstehen bei Blancpain zahlreiche der elegantesten und raffiniertesten Uhren der Welt. Bei den 42 Millimeter messenden Modellen der Reihe Métiers d’Art aus Platin respektive Rotgold bilden die markentypischen Villeret-Doppelreif-Gehäuse – benannt nach dem Ort, wo 1735 alles begann – den optischen Ruhepol. Die Zifferblätter sind dagegen spektakulär. Sie werden beherrscht von feinsten Appliken, die beispielsweise eine Szene mit zwei Eringerrindern vor dem walliserischen Matterhorn darstellen, dem alpinistischen Sehnsuchtsort schlechthin. Bei einem anderen Modell bestehen sie in einer Gravur, die an das wohl bekannteste japanische Kunstwerk angelehnt ist: Katsushika Hokusais „Große Welle vor Kanagawa“.
Gleichfalls japanischen Ursprungs sind die für die Métiers d’Art zum Einsatz kommenden kunsthandwerklichen Materialien beziehungsweise Verfahren: Shakudō, eine bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgbare, für Verzierungen eingesetzte Legierung von Gold und Kupfer, die als Zifferblattunterlage dient, und Rokushō, eine Lösung aus Kupfersalzen, in die man die Appliken taucht, um ihnen einzigartigen Glanz und Tiefeneffekte zu verleihen und die einzelne Uhr endgültig zum „Pièce Unique“ zu machen. Mit dem 13R3A setzt Blancpain für die Métiers d’Art ein würdiges Handaufzugkaliber ein, das dank dreier intelligent in Serie geschalteter Federhäuser gleichmäßigen Gang und somit hervorragende Präzision sowie eine Gangautonomie von acht Tagen bietet. Genug für eine ausgedehnte Reise. Unsere Reisewege zu kunsthandwerklicher Perfektion müssen hingegen an dieser Stelle leider enden.
Weitere Informationen:
Richemont Suisse S.A.
www.vacheron-constantin.com
Montres Jaquet Droz SA
www.jaquet-droz.com
Blancpain
www.blancpain.com