Christiane Wachsmanns Buch „Vom Bauhaus beflügelt: Menschen und Ideen an der Hochschule für Gestaltung Ulm“ erzählt die Geschichte der HfG Ulm erstmals aus dem Blickwinkel der Gründer, Studenten und Dozenten.

Die Hochschule für Gestaltung Ulm (HfG Ulm) gilt nach dem Bauhaus als die weltweit bedeutendste Design-Hochschule. Ihr Stellenwert als entscheidender Wegbereiter und Impulsgeber für die Gestaltung unserer Umwelt ist bis heute klar nachvollziehbar. Das Erscheinungsbild der Lufthansa oder das an Einfluss kaum zu überschätzende Design für die Audiogeräte der Firma Braun sind nur zwei von zahllosen Beispielen dafür.

Gegründet wurde die HfG Ulm 1953 von Inge Scholl gemeinsam mit dem Grafiker Otl Aicher und dem Bauhaus-Schüler Max Bill. Dabei knüpften sie an das Gedankengut der von den Nationalsozialisten ermordeten Geschwister Inge Scholls, Hans und Sophie, gleichermaßen an wie an die Prinzipien des Bauhauses. An der HfG trafen sich Menschen, die in der vernünftigen und guten Gestaltung ein Mittel zur Verwirklichung der Ideale der Moderne sahen und sich ein gemeinsames Leben in Freiheit und mit einer demokratischen Grundordnung erträumten.

Gropius gibt sich die Ehre

Der Lehrbetrieb der HfG Ulm begann am 3. August 1953 zunächst in Räumen der von Inge Scholl 1946 gegründeten Ulmer Volkshochschule. Max Bill bekam den Posten des ersten Rektors, Josef Albers, Johannes Itten, Helene Nonné-Schmidt und Walter Peterhans unterrichteten die ersten 21 Studenten, die Ausbildung war auf vier Jahre angelegt.

Bereits am 8. September 1953 erfolgte der erste Spatenstich für den Bau eines eigenen Gebäudekomplexes für die HfG Ulm. Der von Max Bill entworfene Stahlbetonskelettbau – einer der ersten Deutschlands – umfasste neben großzügigen Werkstätten ein Studentenwohnheim sowie eine Mensa. Bei der offiziellen Eröffnung des Unterrichtsgebäudes am 2. Oktober 1955 hielt kein Geringerer als Walter Gropius, Gründer und erster Direktor des Bauhauses, die Eröffnungsrede.

Parallelen zum Bauhaus

Die Ära Max Bill währte nicht lange. Wie seinerzeit am Bauhaus entwickelten sich an der HfG Ulm jäh Dissonanzen hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung und des pädagogischen Aufbaus. Während sich Bill für eine Fortführung des stärker an der industriellen Praxis angelehten Bauhaus-Modells aussprach, forderten andere Dozenten ein an Wissenschaft und Theorie orientiertes Ausbildungsmodell. Noch im selben Jahr trat Bill als Rektor zurück, auf ihn folgte ein Rektoratskollegium. 1957 verließ Bill die HfG Ulm ganz, erst 1962 übernahm mit Otl Aicher wieder eine Einzelperson die Spitze.

Eine weitere Parallele zum Bauhaus stellt die Herausgabe eines Publikationsorgans dar. Von 1958 bis zum Ende erschien die Zeitschrift „ulm“ in deutscher und englischer Sprache. Ebenso wie die von Walter Gropius und László Moholy-Nagy herausgegebene Zeitschrift „bauhaus“ sollte sie dazu beitragen, einer breiten Öffentlichkeit Wesen und Aufgaben der Hochschule – und insgesamt ein positives Bild der Einrichtung – zu vermitteln.

Finanzielle Schwierigkeiten und Schließung

Nachdem die Bevölkerung 1959 aufgrund gestalterischer Erfolge zum ersten Mal überhaupt auf die Hochschule aufmerksam geworden war, nahmen jedoch in den Jahren darauf – auch wegen interner Streitigkeiten – Zweifel am Sinn der Institution zu. Hinzu kamen sich verschärfende finanzielle Probleme, die schließlich 1968 zur Entlassung von Lehrkräften und zur Reduzierung der Lehrveranstaltungen führten.

Das Aus kam, als Auflagen für die Fortsetzung der Förderung durch das Land Baden Württemberg nicht rechtzeitig durch die HfG Ulm erfüllt werden konnten. Die hoch verschuldete Geschwister-Scholl-Stiftung, Trägerin der HfG, stellte daraufhin den Betrieb der Hochschule zum 31. Dezember 1968 ein. Teile des Lehrkonzepts der HfG Ulm wurden 1970 von der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main übernommen.

Von Hoffnungen und Visionen

In Christiane Wachsmanns „Vom Bauhaus beflügelt: Menschen und Ideen an der Hochschule für Gestaltung Ulm“, erschienen bei avedition, wird die spannende Geschichte der HfG Ulm erstmals aus dem Blickwinkel der Persönlichkeiten erzählt, die sie bevölkerten und sich mit ihren Zielen auseinandersetzten: Gründer, Studenten und Dozenten, Besucher, Fans und Kritiker. Wachsmanns Buch handelt von den Hoffnungen und Visionen der Beteiligten, von der Prägung der Menschen dieser Zeit durch den Faschismus und von den Schwierigkeiten, ihre Ideen im Alltag umzusetzen.

Christiane Wachsmann ist Journalistin, Architektin und Kulturwissenschaftlerin. Nach einer Tischlerlehre studierte sie Architektur und Design an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart, von 1989 bis 1997 übernahm sie Aufbau und Leitung des Archivs der Hochschule für Gestaltung Ulm. Heute ist sie dort als Kuratorin tätig und publiziert regelmäßig über die HfG und unsere von der Industrialisierung geprägte Alltagskultur.

Christiane Wachsmann
Vom Bauhaus beflügelt
Menschen und Ideen an der Hochschule für Gestaltung Ulm
296 Seiten, 35 s/w-Abbildungen
14 x 22 cm, Hardcover mit Lesebändchen

ISBN 978-3-89986-286-7

Weitere Informationen:
avedition GmbH
www.avedition.de

 
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