Können Stadtmöbel über die Steigerung der Aufenthaltsqualität unsere Innenstädte beleben und Einzelhandel und Gastronomie helfen? Das Foto zeigt einen Versuch im baden-württembergischen Bad Wimpfen – Teil eines landesweiten, geförderten Projektes. Foto: © Bad Wimpfen

Haben unsere (Innen-)Städte ein Problem mit der Aufenthaltsqualität und ist das ein hauptsächlicher Grund für sinkende Einzelhandelsumsätze und die teilweise Verödung? Kann, sofern die Diagnose stimmt, das Design ansprechender Stadtmöbel für eine Belebung sorgen, indem man mit ihnen anziehende Orte der Entschleunigung und Begegnung schafft? Bei der Beschäftigung mit diesen Fragen fielen uns ein interessantes Landesprojekt und ein Unternehmen aus Mannheim auf.

Die Fehler der Vergangenheit lassen sich selten über Nacht korrigieren. Vielfach sind jedoch mit überschaubaren Eingriffen spürbare Verbesserungen erzielbar. Ein aktuelles Beispiel führt gewissermaßen in die Provinz. Die steht genau wie Deutschlands Großstädte vor der Herausforderung der Mobilitätswende und muss für Ortskerne gleicherweise eine neue – möglichst autofreie – Rolle finden. Die Landesregierung Baden-Württembergs hat hierzu ein großes Ortsmitten-Projekt ins Leben gerufen. Mithilfe von Stadtmobiliar sollen bis zum Ende des laufenden Jahrzehnts hunderte verkehrsberuhigter Bereiche geschaffen werden. Bessere Bedingungen also, um sich zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV fortzubewegen. Außerdem soll es mehr attraktive Verweilmöglichkeiten geben.

Erste am Projekt teilnehmende Stadt ist das malerische Bad Wimpfen, das eine vollständig denkmalgeschützte Altstadt und viele historische Bau- und Kunstdenkmäler besitzt. Als zentrale Maßnahme stellt das Land zahlreiche Stadtmöbel – Sitz- und Liegebänke, Parklets und Fahrradstationen – kostenlos zur Verfügung. Voraussetzung ist die Sperrung einer zuvor befahrenen Straße für Autos und die anschließende fußgängerfreundliche Umgestaltung.

Schnelle Umsetzung – trotz Denkmalschutz

In deutschen Großstädten sind derartige Projekte regelmäßig umstritten. Wie aber steht es um die Akzeptanz in Kleinstädten mit einer überwiegend traditionsverbundenen Anwohnerschaft? Es sei wichtig, den Bürgerinnen und Bürgern die Vorteile aufzuzeigen und sie bei der Reise mitzunehmen, ist Bad Wimpfens Bürgermeister Andreas Zaffran überzeugt. Zaffran ist bereits daran gewöhnt, dass bauliche Änderungen oder Erneuerungen einen langen Atem erfordern. „Wir müssen uns bei jedem Häuschen, das wir angehen, bei jeder Straße, die wir umstrukturieren wollen, oder einem Mäuerchen, das wir neu verputzen wollen, mit dem Landesamt für Denkmalpflege abstimmen“, erläutert er.

Über den offenen Diskurs zeigt man sich bislang zufrieden. Zwölf aufgestellte, zum Teil bepflanzte Holz-Metall-Konstruktionen seien als Aufenthaltsorte von den Bürgerinnen und Bürgern sehr gut angenommen worden. „Die Tatsache, dass die Module flexibel gestellt werden können, ohne in die bestehende Infrastruktur eingreifen zu müssen, war für mich in Anbetracht des Denkmalschutzes der ausschlaggebende Punkt“, kommentiert Zaffran. Die Umsetzung erfolgte innerhalb von zwei Monaten mit vorheriger Zustimmung des Gemeinderats.

Hoffnung für stationären Einzelhandel und Gastronomie

Bürgermeister Zaffran sieht in der Neugestaltung von Teilen Bad Wimpfens nicht zuletzt eine Chance für die örtliche Gastronomie und den Einzelhandel. „Von November bis Februar liegt der Tourismus hier brach. In dieser Zeit steht vor allem der Einzelhandel vor einer großen Herausforderung, wenn alle nur noch online einkaufen. Gleichzeitig wird aber beklagt, dass es keine Läden mehr in der Altstadt gibt. Das beißt sich ein bisschen. Das ist so eine gesellschaftliche Thematik, dass wir zu bequem geworden sind und gar nicht mehr ins Geschäft wollen – vielleicht, weil es auch billiger ist, weil es einfacher ist. Gleichzeitig wollen wir aber alle diese wunderschönen alten Städtchen. Die sind aber irgendwann alle ein Museum, weil da niemand mehr unterwegs ist.“

Ob es in Bad Wimpfen bei einer temporären Nutzung der Stadtmöbel bleibt oder sie einen Platz in der Altstadt behalten, entscheidet sich im Herbst 2023 im Gemeinderat. Dazu werden Meinungen, Stimmungen und – als harte Fakten – die Umsatzzahlen von Einzelhandel und Gastronomie evaluiert.

Kühlender Effekt für Städte durch spezielle Stadtmöbel

Verantwortlich für die Stadtmöbel selbst sind die beiden Designer und Architekten Robin Lang und Wulf Kramer. Mit ihrem Mannheimer Unternehmen City Decks möchten sie karge und ungenutzte Platzlandschaften in lebendige Treffpunkte verwandeln. Sie finden, dass Deutschland in dieser Hinsicht mehr Mut zur Veränderung braucht. „Weniger Lärm, weniger Autos, weniger Stress bedeuten mehr Freude, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten und vielleicht auch dann noch zu bleiben, wenn die Erledigungen gemacht sind. Oder vielleicht sogar gezielt zu kommen, um einfach nur zu entspannen – wie im eigenen Wohnzimmer“, sagt Robin Lang.

Zur Verwirklichung ihrer Vision einer autofreien, menschenfreundlichen Innenstadt haben die Gründer von City Decks unter anderem ein bepflanztes Stadtmöbel entworfen. Auf einem speziellen Modul finden bis zu 40 unterschiedliche Arten von heimischen Gräsern, Kräutern und Wildblumen Platz. Die so entstehenden Wiesen bleiben das ganze Jahr über grün und benötigen wenig Pflege. Ein autarkes Bewässerungssystem versorgt sie. Die Kombination aus Sitzmöbel und Grünfläche lädt zum Verweilen ein, zudem erzeugt die natürliche Oberfläche im Sommer einen kühlenden Effekt.

Weitere Informationen:

Bad Wimpfen
www.badwimpfen.de

Livable Cities GmbH
www.citydecks.de

Bildhinweis:
© Bad Wimpfen

 
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