Greenwashing oder überzeugendes Engagement? Mit seinem vor acht Jahren eingeführten „Sustainable Living Plan“ für mehr Nachhaltigkeit hat Unilever nach eigenen Angaben bislang großen Erfolg. So seien Marken des Konzerns, die Nachhaltigkeit in ihrem Kern tragen, um 46 Prozent schneller gewachsen als das übrige Portfolio [1]. Insgesamt, so wird gemeldet, sei man auf dem besten Weg, die selbst gesteckten Ziele hinsichtlich der Reduzierung der Umweltbelastungen und Verbesserung von Lebens- und Arbeitsbedingungen der für beziehungsweise mit Unilever arbeitenden Menschen aus dem Jahre 2010 zu 80 Prozent zu erreichen.
Quasi selbstkritisch äußerte sich der Konzern zum Thema Verpackungen und Plastikmüll: Man erkennt das Problem mittlerweile als eines der größten unserer Zeit an und räumt gleichzeitig ein, dass nur ein kleiner Teil der Kunststoffabfälle wiederverwertet wird, während der Rest in Müllverbrennungsanlagen oder in der Umwelt landet. Spätestens ab 2025 will man daher Kunststoffverpackungen mit einem Recyclinganteil von 25 Prozent einsetzen. Bereits 2020 soll außerdem das Gewicht von Kunststoffverpackungen um ein Drittel reduziert werden – weniger Masse gleich weniger Plastikmüll.
Plastikmüll bis in die hintersten Winkel der Erde
Mit Blick auf das katastrophale Ausmaß, das die Ausbreitung von Plastikmüll angenommen hat, wünscht man sich freilich eine schnellere und radikalere Abkehr von dem Irrweg. Bis in die hintersten Winkel unseres Planeten reichen die Spuren unseres verantwortungslosen Tuns. Unlängst fanden Forscher sogar einen Plastikbeutel und andere Kunststoffteile im Marianengraben in 11.000 Meter Tiefe [2].
Viel schlimmer als die allein ästhetisch kaum zu ertragende Dimension ist der Umstand, dass wir es hier mit einem hochriskanten Großversuch zu tun haben. Und vielleicht ist uns die Kontrolle darüber inzwischen entglitten. Jüngst haben Forscher der Newcastle University in den Mägen von ebenfalls im Marianengraben, genauer im Challengertief, gefangenen Krustazeen Plastikreste nachgewiesen. Studienleiter Alan Jamieson nannte die Ergebnisse alarmierend und zum Handeln drängend [3]. Zuvor konnte sein Team in dieser Region organische Schadstoffe in hoher Konzentration nachweisen.
Regeln zur Nachhaltigkeit
Angesichts solch ernüchternder Forschungsergebnisse stellt sich die Frage, ob es fünf vor oder nicht schon fünf nach zwölf ist. Nun sind Anstrengungen von Produzenten, die weitere Vermüllung unseres Planeten wenigstens zu verlangsamen, eine Sache. Mindestens ebenso entscheidend ist aber das Verhalten der Konsumenten, die mit ihren Kaufentscheidungen die Anreize schaffen für die Produktion der vielen unnötigen Verpackungen.
Genau um diesen Aspekt ging es Wissenschaftlern der TU Chemnitz, die einen Katalog mit „Zehn goldenen Regeln zur Nachhaltigkeit“ vorgelegt haben [4]. Gegliedert ist dieser nach Bedürfnisfeldern – darunter Ernährung, Konsum und Mobilität. Eine nachahmenswerte Initiative – und vor allen Dingen viele empfehlenswerte Tipps, die man in einer so umfangreichen Gesamtschau bisher selten gesehen hat.
Weltweites Bewusstsein wächst
Anlass für das Engagement aus Chemnitz sind übrigens die Deutschen Aktionstage Nachhaltigkeit 2018 vom 30. Mai bis 5. Juni [5]. Auch international wird dem Thema Nachhaltigkeit im Allgemeinen und Plastikmüll im Besonderen immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Der von den Vereinten Nationen 1972 ins Leben gerufene World Environment Day, der jährlich am 5. Juni stattfindet, ist ein Beispiel unter vielen. In diesem Jahr ist Indien Gastgeber, das engagierte Motto lautet „Beat Plastic Pollution: If you can’t reuse it, refuse it“. Optimistisch zeigte sich im Vorfeld der Exekutivdirektor des zuständigen UN-Umweltprogramms, Erik Solheim, indem er erklärte, die Welt sei aufgewacht und Plastikmüll sei ein lösbares Problem [6].
Für Hoffnung sorgt unterdessen auch eine Meldung aus der Wissenschaft. Eher aus Versehen machten Forscher der University of Portsmouth das Enzym eines 2016 entdeckten Bakterienstamms, welches Polyethylenterephthalat (PET) zersetzen kann, genannt PETase, durch Mutation noch leistungsfähiger. Der Leiter des Forscherteams, John McGeehan, ist zuversichtlich, dass sich hieraus ein wirkungsvolles Instrument für das Recyceln der wachsenden Müllberge entwickeln lässt [7].
Evolutionärer Wimpernschlag
Immerhin rund ein Sechstel der über 330 Millionen Tonnen Plastik, die jährlich produziert werden, entfallen auf PET. Am bekanntesten ist der Kunststoff als Material für Plastikflaschen, von denen weltweit pro Sekunde an die 20.000 Exemplare verkauft werden [8]. Doch was ist mit den übrigen Kunststoffarten? Früher oder später wird die Natur gewiss Wege finden, unsere Hinterlassenschaften zu beseitigen. Mikroorganismen hatten schließlich erst sieben Jahrzehnte Zeit, um sich an menschengemachte Polymere zu gewöhnen; evolutionär gesehen kaum ein Wimpernschlag. Nur können wir nicht darauf warten, dass sie in Zukunft die Fähigkeit erlangen, diese mit derselben Leichtigkeit zu verstoffwechseln wie natürliche Substrate.
Bis dahin ist es einerseits überaus sinnvoll, die Forschungsanstrengungen in Sachen Plastikmüll zu erhöhen. Andererseits sollten wir uns alle den Ratschlag von Prof. Dr. Marlen Arnold, Inhaberin der Professur für Betriebliche Umweltökonomie und Nachhaltigkeit an der TU Chemnitz, zu Herzen nehmen: „Entscheiden Sie zuerst, ob Sie etwas brauchen, dann auf welche Art und Weise Sie es bekommen und wählen dann nachhaltigkeitsausgerichtete Produkte und Dienstleistungen.“ [9]
Quellen:
[1] https://www.presseportal.de/pm/24435/3951487
[2] https://www.unenvironment.org/news-and-stories/story/single-use-plastic-has-reached-worlds-deepest-ocean-trench
[3] https://www.ncl.ac.uk/press/articles/archive/2017/11/plasticocean/
[4] https://www.tu-chemnitz.de/tu/pressestelle/aktuell/8793
[5] https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Infodienst/2018/04/2018-4-25-aktionstage-nachhaltigkeit/2018-04-24-Deutsche-Aktionstage-Nachhaltigkeit.html
[6] https://www.unenvironment.org/news-and-stories/press-release/countdown-world-environment-day
[7] https://www.sciencealert.com/scientists-accidentally-engineered-mutant-enzyme-eats-through-plastic-pet-petase-pollution
[8] https://www.theguardian.com/environment/2017/jun/28/a-million-a-minute-worlds-plastic-bottle-binge-as-dangerous-as-climate-change
[9] s. [4]
Tags:
Abfallvermeidung, Kreislaufwirtschaft, Müllhalde Meer, Zero Waste