Wendet sich mit dem neuen Spirate System von Omaga das Blatt im ewigen Kampf um die Krone oder behält Rolex weiter die Nase vorn? Unser Titelbild zeigt das innovative, ultrafein regulierbare Werk der Bieler Uhrenmarke. © Omega

Die letzte Genauigkeit ist an sich nicht das entscheidende Kriterium für die Wahl einer bestimmten mechanischen Uhr. Es ist natürlich angenehm, erst nach Wochen oder Monaten die Uhrzeit neu stellen zu müssen. Das ermöglichen allerdings zahlreiche – und nicht allein die teuersten – Kaliber am Markt. Dennoch hat Omega sich erneut des Themas Gangabweichung angenommen. Mit dem „Spirate System“ haben die Schweizer jetzt eine Spiralfeder vorgestellt, welche sich besonders fein regulieren lassen und eine zertifizierte Präzision von 0/+2 Sekunden pro Tag bieten soll. Heißt übersetzt: das Uhrwerk geht ausschließlich geringfügig vor. Wer sich auf die patentierte Technik der Eidgenossen verlässt, sollte so gesehen immer zu früh und nie zu spät kommen.

Wie stößt man einen Marktführer vom Thron?

Wie wird sich die Innovation auf den Kampf um die Krone auswirken? Gemeint ist – Sie ahnen es – selbstverständlich das Markensignet von Rolex. Intensiv und mit durchaus sehenswerten Ergebnissen feilt Omega seit Langem an seinen Produkten, um endlich zu den Genfern aufzuschließen. Ein wichtiger Meilenstein war zum Beispiel die vom britischen Uhrmacher George Daniels erfundene und 1999 eingeführte Co-Axial-Hemmung, mit der Omega den Verschleiß reduzieren und die Lebensdauer seiner Werke erhöhen konnte. Des Weiteren eröffnete man exklusive Brand Stores und hob die Preise kräftig an, um die vermeintlich objektive Lücke in Sachen Wertigkeit und Prestige zum Erzrivalen zu schließen.

Den Sieg brachte all das bislang nicht. Gemessen am Umsatz konnte Rolex seinen Vorsprung zuletzt sogar deutlich ausbauen. War es vor diesem Hintergrund hilfreich oder kontraproduktiv, dass Omega sich 2022 zusammen mit der Konzernschwester Swatch in das „MoonSwatch“-Abenteuer stürzte?


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Schadet die MoonSwatch der Glaubwürdigkeit von Omega?

So viel ist gewiss: Eine Marke wie Swatch, die für reine Wegwerfprodukte und somit für das Gegenteil von nachhaltigem Design steht, kann vom Co-Branding mit einer traditionsreichen Luxusmarke nur profitieren. Und tatsächlich errang man mit mehr als einer Million verkauften Exemplaren der minderwertigen Attrappe des Omega-Klassikers „Speedmaster“ einen beachtenswerten Erfolg.

Gegen die Champagnerdusche sprechen die vielen unnötigen Batterien, die das billige verbaute Quarzwerk (das Original besitzt ein über jeden Zweifel erhabenes mechanisches Herz) erforderlich macht. Hinzu kommt der künftige Berg aus Plastikmüll.

Sag niemals nie

Sowieso fand dieses Rennen ohne den „Top-Athleten“ statt. Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass Rolex jemals für die Mülldeponie designte Uhren vorstellen wird.

Man sollte jedoch niemals nie sagen, wie wir seit Sean Connerys letztem Auftritt in der Rolle des James Bond wissen. Dass der U(h)r-Bond in den frühesten Filmen ebenso wie Bond-Erfinder Ian Fleming Rolex trug, führt zu einem anderen wunden Punkt. Selbst mit noch so viel bezahlter filmischer Werbeintegration kann der Herausforderer aus Biel dem führenden Hersteller im Luxusuhrenmarkt diesen Vorrang nicht streitig machen. Die Filmgeschichte steht nun einmal geschrieben.

In zwei Richtungen gleichzeitig?

Wendet sich aber mit der neuen Spiralfeder eventuell das Blatt? Zunächst schalt Omega das Uhrwerk lediglich in ein einziges spezielles Speedmaster-Modell ein, das so viel kosten wird wie ein ganzes Schaufenster voller Plastikuhren. Dem Verkaufserfolg muss das nicht entgegenstehen. Aufgrund ihrer zu erwartenden Langlebigkeit ist die neue Uhr definitiv die interessantere, weil nachhaltigere und verantwortungsvollere Option.

Angesichts der Widersprüchlichkeit wäre es indes hilfreich, wenn sich die Unternehmensverantwortlichen entscheiden würden, wofür Omega künftig stehen soll. Ex und hopp oder top? Es ist nämlich fraglich, ob der Marke auf Dauer ein ähnlicher Spagat gelingen kann wie einst dem einzigartigen John Coltrane mit seinem grandiosen Album „Both Directions at Once“, das unlängst wiederentdeckt wurde, nachdem es 55 Jahre lang als verschollen galt. Dabei ist die sich hierin ausdrückende schöpferische Genialität in Verbindung mit präzisem Timing im Prinzip doch genau das, was auch Omega lange vor dem Beginn des Wegwerfzeitalters und Jahrzehnte vor der Gründung von Rolex groß gemacht hat.

Weitere Informationen:
Omega SA
www.omegawatches.com

Bildhinweis:
Unser Titelbild zeigt das innovative, ultrafein regulierbare Werk der Bieler Uhrenmarke. © Omega

 
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