Mit Nachhaltiges Design, erschienen bei Oekom, unterbreiten Bernd Draser und Elmar Sander ein gelungenes gedrucktes Bildungsangebot. Abbildung: © Oekom Verlag

Als wir unlängst bei einer Recherche zufällig auf „Nachhaltiges Design“ stießen, war sofort klar: diese Veröffentlichung müssen wir genauer unter die Lupe nehmen. Warum, das dürfte sich angesichts unseres Themenspektrums von selbst verstehen. Nun machen ein interessant klingender Titel und ein spannendes Thema allein kein gutes Buch. Im Vorgriff auf ein Fazit sei jedoch schon an dieser Stelle verraten, dass es sich bei Nachhaltiges Design, erschienen im Oekom Verlag, um ein ebensolches handelt.

Wer unser Journal kennt, weiß freilich, dass wir uns ohnehin nicht übermäßig damit aufhalten, Produkte oder Bücher zu verreißen, die nichts oder kaum etwas taugen. Indem man stattdessen primär auf Gutes hinweist, das Menschen weiterbringt, lässt sich unserer Überzeugung nach Lebenszeit freudvoller, sinnstiftender und folglich nachhaltiger einsetzen. Womit wir wieder beim eigentlichen Gegenstand wären. Und bei der Frage, was nachhaltiges Design überhaupt ist, wie es sich historisch entwickelt hat und welche Chancen es der Menschheit in ökologischer und soziokultureller Hinsicht künftig eröffnet. All das wollten wir uns – nicht, dass wir uns hiermit nicht seit langer Zeit tagtäglich befassen würden – einmal von Bernd Draser und Elmar Sander auseinandersetzen lassen.

Nachhaltiges Design versus Styling

Wie es immer so ist mit Begriffen, die gesetzlich nicht geschützt sind, musste auch das Wort „Nachhaltigkeit“ in der Vergangenheit für vieles herhalten, das wenig mit einem verantwortungsbewussten Umgang mit den endlichen Ressourcen eines nicht sonderlich großen Planeten zu tun hat. Das gilt für das Wort „Design“ in ganz ähnlicher Weise. Marketingabteilungen rund um die Welt, ein beträchtlicher Teil der Medien und – welch Wunder – die vielen unbedarften Menschen, die auf die Posse respektive Kolportage hereinfallen, verwenden es synonym mit „Styling“. Was zu einer begrifflichen Abwertung führt, wie wir niemals müde werden, zu betonen. Bei dem Autorenduo, das beides – Nachhaltigkeitsprobleme und Design – treffend als Kinder derselben Mutter, nämlich der Industrialisierung, beschreibt und herleitet, fühlen wir uns daher sehr gut aufgehoben und verstanden.

Wer aufgrund des nüchternen Titels und des eher spröden Covers ein staubtrockenes Sachbuch befürchtet, wird von Nachhaltiges Design positiv überrascht sein. Hier wird ein beispielhaft reichhaltiges kulturgeschichtliches Tableau ausgebreitet. Das könnte einerseits daran liegen, dass Bernd Draser Kulturwissenschaftler ist. Andererseits passt der Ansatz zu einer Disziplin, die sich auf so viele andere Wissenschaften bezieht und stützt.

Von der Bronzezeit bis zur Eroberung des Weltalls

Gemeinsam mit dem Kommunikationswissenschaftler Elmar Sander stellt Draser zugleich sicher, dass niemand zwischen den in beeindruckender Vielfalt dargebotenen Referenzen, die von der bronzezeitlichen Himmelsscheibe von Nebra bis zum Apollo-Raumfahrtprogramm und von der antiken Laokoon-Gruppe mit ihrer Verbindung zur Eroberung Trojas bis zu den Terroranschlägen am 11. September 2001 reichen, verirrt zurückgelassen wird.

Entsprechende Erfahrungen im Vermitteln von Wissen und Kenntnissen haben Bernd Draser und Elmar Sander fraglos genug. Waren sie es doch, die Deutschlands erste Studiengänge „Nachhaltiges Design“ mit ins Leben riefen. Ihr 256 Seiten umfassendes neues gedrucktes Bildungsangebot ist in elf Kapitel gegliedert. Vorwort und Literaturhinweise kommen noch hinzu. Von der bereits erwähnten Herkunft von Design und Nachhaltigkeit bis zur Rolle nachhaltigen Designs im Zeitalter der Digitalisierung erstreckt sich die thematische Bandbreite. Die religiöse und ethische Dimension wird ebenso beleuchtet wie die unternehmerische Verantwortung, Aspekte von Komplexität sowie Kriterien für nachhaltige Designprozesse. Was das Buch hingegen nicht leistet und nicht zu leisten beabsichtigt, ist die Zurverfügungstellung einer Art Kochanleitung für nachhaltige Designentwürfe mit konkreten Materialübersichten und Angaben zu Umwelteinflüssen.

Ein harmonisches Ganzes

Ein Buch zum Thema nachhaltiges Design bar einer konsequent gelebten verlagsseitigen Nachhaltigkeitsstrategie wäre fast wie eine Wahlkampfrede ohne Umsetzung des Versprochenen nach gewonnener Wahl. Also etwas, das enttäuscht, obwohl man es eigentlich nicht anders erwartet. Oekom ist allerdings nicht irgendein Verlag. Spezialisiert auf ökologische Kommunikation setzt man auf 100 Prozent Recyclingpapier und Druckfarben, die ohne Mineralöl auskommen, verzichtet auf Plastikfolie, kompensiert alle CO2-Emissionen und lässt für kurze Wege in Deutschland drucken. All das ist „natürlich Oekom“, wie man es ausdrückt und zu Recht hervorhebt. Buch und Inhalt bilden somit eine absolut stimmige Einheit.

Ein nettes Detail am Rande, das exemplarisch die Mühe zeigt, die man sich gemacht hat, sind die kurzen Buchklappen-Zitate zu jedem Kapitel. Sie fassen die Themen von Nachhaltiges Design auf gelungene Weise zusammen und bringen die umfangreichen Darstellungen auf den Punkt. Ein Einfall des Kommunikationsdesigners Sander? Einen der dort herausgestellten (Merk-)Sätze wollen wir aufgreifen. Er lautet: „Zwischen komplex und kompliziert liegt Design.“ Das Wort „Design“ ließe sich im Hinblick auf ein Gesamtfazit durch „dieses Buch“ ersetzen. Weil wir (vermutlich zum Glück) keine Lesepflicht auferlegen können, belassen wir es bei einer Empfehlung.

Bernd Draser, Elmar Sander
Nachhaltiges Design

Herkunft, Zukunft, Perspektiven
Oekom Verlag, München
Softcover, 256 Seiten
ISBN: 978-3-96238-363-3

Weitere Informationen:
Oekom Verlag
www.oekom.de

 
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