Mit ihrem „Total Transparency on Origin“-Label bringt die Schweizer Newcomer-Brand CODE41 viele etablierte Marken in Erklärungsnot. Im Bild zu sehen: ein mechanisches Uhrwerk von CODE41.

„Zukunft braucht Herkunft.“ Wenn es etwas gibt, das sich mit dem berühmten Satz des deutschen Philosophen Odo Marquard im Sinne einer Quintessenz beschreiben lässt, dann ist es die Schweizer Uhr respektive Uhrenindustrie. Beide verdanken ihre Geltung der Fortschreibung der jahrhundertealten Uhrmacherkunst. Ihr unablässiges Streben nach Vollendung und Ewigkeit bildet einen Gleichklang mit den übrigen Künsten. Diese Werte und Bestrebungen haben auf „Swiss Made“ abgefärbt und dem Warenstempel einen Glanz verliehen, von dem andere Wirtschaftszweige ebenso profitieren.

Eine Täuschung namens Swiss Made?

Lange war es sakrosankt, heute wird Swiss Made jedoch immer öfter kritisch reflektiert. Mal von etablierten Unternehmen und mal von Newcomern. Um einen solchen handelt es sich bei CODE41. Die Lausanner Marke verzichtet auf die „Swiss Made“-Angabe und setzt auf eine interessante Alternative. Nach einer Kontextualisierung kommen wir darauf zu sprechen – wodurch sich eine Gelegenheit bietet, auf Besonderheiten im Zusammenhang mit der geografischen Herkunft einzugehen. Diese ist entgegen der historischen Herkunft in unserer globalisierten Welt zunehmend schwer zu fassen. Das Suggerieren einer absoluten Eigenschaft ähnelt nicht selten einer Täuschung.

Beginnen wir mit dem, was bei Swiss Made mitschwingt: die Schweiz als Mythos und erlebbare Realität. Ihre Landschaften sind so vielfältig wie eindrucksvoll, ihre Bevölkerung ist herzlich und geerdet. Wer die Schweiz (mit dem Zug) bereist, kann ein einzigartiges landschaftliches Schauspiel genießen. Präsentiert wird es vor einem Bühnenbild aus zahllosen Loci amoeni, alpinistischen Sehnsuchtsorten und seit Napoleon von Kriegen verschont gebliebenen Städten. Bei aller Schwärmerei vergisst man leicht, wie hart sich das Leben im Alpenraum gestaltete, bevor moderne Technik und Maschinenkraft Einzug hielten.

Ultimativer Luxus

Die Anfänge der Schweizer Uhrenindustrie gehen auf das 17. Jahrhundert zurück, als ein Sohn eines Büchsenmachers namens Daniel JeanRichard in der im Kanton Neuenburg auf über 1000 Meter gelegenen Ortschaft La Sagne eine defekte Uhr aus London in die Hände bekam. Lange Zeit halfen mechanische Auftragsarbeiten den Bewohnern der abgeschiedenen Bergtäler, die kargen Wintermonate zu überbrücken. Doch so ärmlich die Anfänge des „Swiss Watchmaking“ waren – paradoxerweise kennzeichnete sie genau das, was man heutzutage als ultimativen Luxus begreift: hundertprozentige Schweizer Handarbeit.

Gegenwärtig müssen lediglich 60 Prozent des Wertes einer Uhr aus der Schweiz stammen, damit der „Swiss Made“-Warenstempel genutzt werden darf. Weil die Schweiz bekanntermaßen ein Hochlohnland ist, reicht es vielfach aus, überwiegend in Niedriglohnländern hergestellte Komponenten in der Schweiz zusammenzufügen. Deutlich strenger sind hingegen die Voraussetzungen des Genfer Siegels, das nur die wenigsten (und teuersten) Uhren tragen. Hierzu gehört, dass die Herstellung, das Montieren und das Regulieren einer Uhr zu 100 Prozent auf dem Gebiet des Kantons Genf zu erfolgen haben.

Die Offenheit bei CODE41 bezüglich der Kalkulation und Herkunft der Bestandteile geht bei den meisten Modellen der Marke mit einer visuellen Offenheit einher.

CODE41 und die „Total Transparency on Origin“

Ein ganz eigenes Label hat man sich bei CODE41 ausgedacht: „Total Transparency on Origin“, kurz TTO. Das steht für die Übererfüllung der „Swiss Made“-Kriterien und für die Offenlegung der Orte, an denen einzelne Leistungen erbracht werden, sowie der einzelnen Kosten, die sich zum Verkaufspreis addieren. Wenngleich die Selbststilisierung als Störenfried der Uhrenindustrie übertrieben sein mag, lässt der Ansatz auf der einen Seite Uhrenfans staunen und auf der anderen Seite manche Mitbewerber, die als Ersatz für echte Alleinstellungsmerkmale riesige Ausgaben für Testimonials und Marketing-Tamtam über Preisaufschläge refinanzieren, verwundert zurück.

Noch sind genügend Menschen bereit, viel für ein bisschen Image auszugeben. Die steigende Beliebtheit von Online-Gebrauchtuhrenplattformen besonders bei Jüngeren beweist aber, dass sich das ändert. Das eröffnet Chancen für disruptive Marken wie CODE41, die problemlos offenlegen können, wofür sie das Geld ihrer Kundschaft ausgeben, und die Unterschiede aufzuzeigen verstehen zwischen einer Kostenkalkulation, die statt auf das Inszenieren einer Scheinwelt auf das fokussiert, was wirklich zählt: die Uhren selbst.

Die doppelte Transparenz von CODE41

Zur Offenheit in Sachen Kalkulation und Herkunft passt, dass die Modelle von CODE41 mehrheitlich skelettiert sind. Teilweise geht das zu Lasten der Ablesbarkeit. Das ist zu hinterfragen. Das Design entsteht allerdings – und das ist eine zusätzliche Besonderheit – aufgrund von Abstimmungen unter den (potenziellen) Kundinnen und Kunden. Diese schätzen durchdachte Details mehr als Werbefotos mit Stars als Markenbotschafterinnen und -botschaftern. Ein Beispiel sind die schnell wechselbaren Bänder. Ein anderes ist die hohe Alltagstauglichkeit durch ausreichende Wasserdichtigkeit. Angenehmer Nebeneffekt für CODE41: zusätzliche Marktforschung erübrigt sich quasi.

Beschäftigt man sich näher mit den Lausannern, so gewinnt man den Eindruck, Jean-Claude Biver sei erhört worden. Der „Über-Manager“, der einst Blancpain wiedererweckte und weitere große Marken, darunter Omega und Hublot, erneut auf Wachstumskurs brachte, erklärte vor wenigen Jahren, der Schweiz sei der Mut abhanden gekommen. Eines der Probleme: Im Gegensatz zu Apple gelingt es den Eidgenossen bislang kaum, mit ihrer Klientel dauerhaft in engem Kontakt zu bleiben. CODE41 zeigt, dass das möglich ist und verbindet hierfür traditionsreiche Herkunft mit Zukunftsideen.

Weitere Informationen:
CODE41 Watches
https://code41watches.com/de/

 
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