Dieses Mal hat unseren Designer-Fragebogen Ianah Ramos ausgefüllt. Sie ist Head of Design bei der Berliner Schmuckmarke Stilnest.

Analog zu „Slow Fashion“ hat sich das Berliner Schmucklabel Stilnest auf eine entschleunigte Version von Modeschmuck spezialisiert. Der Vorteil für die Umwelt ist ein im Vergleich zu herkömmlichen Produkten deutlich kleinerer ökologischer Fußabdruck. Überaus angenehm ist zudem die Gewissheit, dass man hier etwas erwirbt, für das niemand am anderen Ende der Welt ausgebeutet wurde.

Die Fairness hört indessen beim Produkt nicht auf. Stilnest legt die gesamte Kalkulation offen, sodass sich jeder genau darüber informieren kann, wofür man zahlt und wie viel Gewinn erzielt wird. Achtung, Spoiler: Verglichen mit zahlreichen bekannten Herstellern sind die Margen maßvoll, Preis und Wert stehen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander.

Der ebenfalls nicht ganz unwichtige Aspekt der Ästhetik – wir reden hier schließlich über Schmuck – wird bei Stilnest keineswegs vernachlässigt. Verantwortlich zeichnet hierfür eine talentierte und versierte Designerin. Wir freuen uns, dass Ianah Ramos, Head of Design bei Stilnest, sich die Zeit nahm, unseren Designer-Fragebogen auszufüllen.

Wie definieren Sie gutes beziehungsweise schlechtes Design?

Für mich muss gutes Design wenigstens folgende drei Eigenschaften besitzen: Erstens Nutzbarkeit – im Fall von Schmuck muss es bequem zu tragen sein. Zweitens Herstellbarkeit: Häufig bemühen wir uns, ein Projekt Realität werden zu lassen, doch um von einem echten Design zu sprechen, muss es machbar sein, ansonsten ist es lediglich eine Idee. Drittens Begehrenswürdigkeit: Design unterscheidet sich von der Kunst, die andere Gefühle und Reaktionen auslösen kann. Design ist die Lösung für ein Problem und muss als erwünscht, benötigt oder begehrt angesehen werden. Als ein Produkt, das einige Erwartungen erfüllt.

Ich könnte weiter ausholen. Derweil die Welt sich kontinuierlich ändert, muss gutes Design meiner Meinung nach Möglichkeiten der Abfallvermeidung oder smarte Alternativen für verschiedene Lebensstile bieten, also nicht nur durch seine ästhetischen Qualitäten überzeugen, sondern durch praktische Problemlösung.

„Oyster Ohrringe Pearl“ (24 Karat Gold Vermeil) von Stilnest.

Was unterscheidet Ihre Entwürfe beziehungsweise Produkte von denen anderer Designer?

Wenn ich Produkte für Stilnest entwerfe, steht für mich immer an erster Stelle, dass Menschen sich mit ihnen identifizieren können und als etwas betrachten, das sie wahrscheinlich selbst tragen oder mit dem sie sich wohlfühlen würden, wenn sie es verschenken. Aber nicht nur das. Es sollte stets etwas Besonderes geben – ein kleines Detail, eine Struktur oder Form. Das Ziel ist die Schaffung eines Schmuckstücks, das klassisch aber zugleich ausgefallen ist – oder eine Art Entdeckung darstellt. Das Sahnehäubchen ist unser Ansatz, auf Bestellung zu produzieren, was uns – da wir die Dinge gegenüber der Massenproduktion verlangsamen – erlaubt, die Auswirkungen weitaus geringer zu halten als bei den meisten Schmuckwaren auf dem Markt.

Wovon lassen Sie sich inspirieren?

Die Inspiration kommt von überall. Angefangen vom Umfeld und gesellschaftlichen Trends – wie bei der Kollektion „The things we missed“ – bis zu Büchern, alltäglichen Situationen und zufälligen Kleinigkeiten. Es geht im Grunde darum, einen interessanten neuen Blick auf gewohnte Themen zu entwickeln. Gewiss bewundere ich auch bestimmte Marken und Designende. Das geht jedoch nicht so weit, dass ich diese als ideale Bezugspunkte sehe, sondern eher als etwas wie Brunnen, von denen ich trinken könnte.

Welchen Aspekt Ihrer Arbeit schätzen Sie am meisten?

Es ist wohl die Chance, etwas zum Leben zu erwecken. Ich bin ein Mensch, der laufend produzieren muss. Sogar wenn ich nicht arbeite, kommt es nicht selten vor, dass ich irgendetwas austüftele. Es ist für mich erfüllend, mich ständig in andere Menschen hineinzuversetzen und zu versuchen, zu verstehen, was sie benötigen oder sich wünschen könnten. Besonders bei Schmuck, der vielen überflüssig erscheint, aber gleichzeitig mit besonderen Augenblicken in Verbindung gebracht wird – mit Werten, Sicherheit, Stabilität und so weiter. Hinzu kommt das Gefühl, Schwung in Festgefahrenes zu bringen.

„Solar Spritz Cocktail Ring Schwarz“ von Stilnest.

Mit welchen Materialien arbeiten Sie am liebsten?

Gold und Silber mag ich sehr. Während beide Metalle wertvoll und wiederverwertbar sind, halte ich Silber für das zugänglichere und erschwinglichere Material, das jedermann einen Hauch von Luxus und bleibende Qualität bietet. Gold ist für Schmuckdesignende allerdings ein wenig interessanter, weil es filigranere Stilelemente ermöglicht und eine dauerhaftere Farbe besitzt. Es ist wirklich toll, etwas zu gestalten, von dem man weiß, dass es für lange Zeit so bleibt, wie man es ersann.

Welcher Ihrer Entwürfe ist Ihr Favorit und warum?

Ich kann kein einzelnes herauspicken. Seit zwölf Jahren designe ich Schmuckstücke und mir sind einige ans Herz gewachsen. Doch ich muss sagen, dass ich multifunktionale oder Trompe-l’Œil-Entwürfe wie den „Flip Pavé Ring“ oder die „Snake Tail Triple Hoop Earrings“ mag. Ich schätze, ein gewisses Überraschungsmoment kann beim Design nie schaden.

Was bedeutet Nachhaltigkeit für Ihr Design?

Ich betrachte mich selbst nicht als Aktivistin, bin aber davon überzeugt, dass man die Dinge verbessern sollte, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Obwohl die Auswahl der Partner, mit denen wir zusammenarbeiten, nicht unmittelbar zu meinem Job gehört, bin ich froh, dass Stilnest sich verpflichtet fühlt, das Richtige zu tun. Es ist außerdem gut zu wissen, dass meine Entwürfe aus recycelten Metallen beziehungsweise fair gewonnenen Edelsteinen und Gold gefertigt werden. Bedingt dadurch mag beispielsweise das Angebot an Steinen kleiner sein. Doch das bedeutet, dass Menschen unter besseren Bedingungen arbeiten und dass mit der Natur behutsamer umgegangen wird, was einfach erstaunlich ist.

„Bold Textured Ring“ (24 Karat Gold Vermeil) von Stilnest.

Wenn Sie sich nicht mit Design beschäftigen würden, wären Sie …

Vermutlich würde ich mich dennoch mit Design befassen. Aber vielleicht mit Architektur oder Fertigungstechnik, würde ich sagen. Das oder etwas völlig anderes wie Wirtschaft. Ob Sie es glauben oder nicht, ich finde das ein ziemlich faszinierendes Fachgebiet.

Gibt es ein Zukunftsprojekt, über das Sie sprechen können?

Hm … achten Sie auf meine Worte – darin findet sich bereits eine Andeutung!

Die Antworten übersetzte Michael Graef aus dem Englischen.

Weitere Informationen:
Spontaneous Order GmbH
www.stilnest.com

Bildhinweis:
Für alle Fotos gilt: © Stilnest

 
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