Die 1976 erstmals in Dienst gestellte Concorde war ihrer Zeit meilenweit voraus und zugleich von Anfang an ein Kerosin vernichtender Anachronismus.

Die in britisch-französischer Zusammenarbeit entwickelte Aérospatiale-BAC Concorde ist eine der kühnsten Konstruktionen der Technikgeschichte. Überdies ist sie eines der unwiderstehlichsten Objekte aus Menschenhand. Ihre schier überirdische Ästhetik verdankt die Ikone der Luftfahrtgeschichte praktisch vollständig ihrer bis heute unerreichten Leistungsstärke – und umgekehrt. Der Satz von der Form, welche der Funktion folgt, will hier trotzdem nicht recht passen. Schließlich folgte die Concorde nicht. Sie flog ihrer Zeit über Jahrzehnte hinweg weit voraus.

Die Concorde in ihrem Element: 1996 stellte sie mit unter drei Stunden den bis heute ungebrochenen Rekord für die schnellste Atlantiküberquerung der zivilen Luftfahrtgeschichte auf. © British Airways

Zugleich jedoch stellte die bislang beste Annäherung an eine Zeitmaschine bereits seit der Ölpreiskrise von 1973 – also drei Jahre vor ihrer Indienststellung – einen Kerosin vernichtenden Anachronismus dar. Ein gegenüber gewöhnlichen Düsenflugzeugen zwei- bis dreimal höherer Verbrauch pro Passagierkilometer veranlasste Airlines aus aller Welt dazu, aus Angst vor Unrentabilität ihre umfangreichen Kaufoptionen zu annullieren. Von Anfang an schied damit der aeronautische Massenmarkt als Einsatzgebiet für die Concorde aus.


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Geburtsstunde des Mythos Concorde

Der herbe ökonomische Rückschlag führte indes zur eigentlichen Geburtsstunde des Mythos Concorde. Das lediglich von British Airways und Air France eingesetzte Überschallflugzeug, von dem insgesamt nur 20 Exemplare entstanden, verband fortan technischen Avantgardismus mit Glamour und – im doppelten Wortsinn – höchster Exklusivität. Die Concorde wurde quasi zum Inbegriff für den Lifestyle der Reichen und Schönen. Gekrönte Häupter, Staatenlenker, Wirtschaftsführer, Künstler und Berühmtheiten aus dem Showgeschäft machten in der sportlich-schlanken Röhre regelmäßig „bella figura“ und genossen in von Le Corbusier designten Sesseln erlesene Köstlichkeiten, die auf edlem Geschirr von Christofle serviert wurden.


 
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Elisabeth II. an Bord der „Königin der Lüfte“. © British Airways

Zur aviatischen Perfektion gehörte darüber hinaus, dass man die Uniformen für das Kabinenpersonal der Concorde zunächst von Jean Patou und später von Nina Ricci entwerfen ließ. Mit Raymond Loewy, Pierre Gautier-Delaye und Andrée Putman zeichneten für das Interior Design ebenfalls Größen ihrer Zunft verantwortlich.

Ein Produkt von Grenzüberschreitungen

Das bahnbrechende äußere Design der Concorde und ihr struktureller Aufbau leiten sich hingegen unmittelbar aus den während der Überwindung der Schallgrenze und des Überschallfluges herrschenden physikalischen Bedingungen und der Notwendigkeit der Überschreitung vorheriger technischer Grenzen ab. So sorgte beispielsweise die hohe Fluggeschwindigkeit trotz strömungsgünstiger Form und extremer Flughöhe für starke Wärmeentwicklung durch Luftreibung. Kompensiert wurde sie unter anderem durch den charakteristischen, stark reflektierenden weißen Farbanstrich.

Feierliche Verabschiedung der Legende im Jahre 2003. © British Airways

Die weiße Fahne wurde 2003 gehisst, gut drei Jahre nach dem einzigen fatalen Unfall einer Concorde. Die „Königin der Lüfte“, deren eleganter Stil das exakte Gegenteil der ökologisch kaum weniger fragwürdigen, unsäglichen modernen Billigfliegerei repräsentierte, war technisch und ökonomisch aus der Zeit gefallen.

Eine Concorde-Nachfolgerin?

Mittlerweile lassen fortgeschrittene Triebwerkstechnologie und neue Werkstoffe eine deutlich umweltverträglichere Concorde-Nachfolgerin denkbar werden. Allerdings könnte sich ein solches Projekt aus anderen Gründen als ähnlich unvernünftig erweisen. Der Vormarsch digitaler Errungenschaften wie Online-Meetings wird womöglich den Bedarf nach schnellen Interkontinentalflügen dauerhaft verändern. Zum neuen Luxus wird dann vielleicht besonders langsames Reisen.

Bildhinweis:
Für alle Fotos gilt: © British Airways

 
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