Seit 2015 lädt die drittgrößte Stadt der USA alle zwei Jahre jeweils im September zur Chicago Architecture Biennial. Warum aber sollte man statt nach New York hierher reisen? COLD PERFECTION klärt auf.

Seit 2015 lädt die drittgrößte Stadt der USA alle zwei Jahre jeweils im September zur Chicago Architecture Biennial. Warum aber sollte man statt nach New York für Architektur und Design an den Michigansee reisen? COLD PERFECTION klärt auf.

Man muss vielleicht in Erinnerung rufen, dass sich in Chicago die Wiege der Wolkenkratzer befand. Tragische Voraussetzung war die Zerstörung des Stadtzentrums bei einem Großbrand im Jahre 1871. Das Wettrennen um den Wiederaufbau und der Anstieg der Einwohnerzahl ließen Chicagos Grundstückspreise schnell in die Höhe schießen. Die Gebäude mussten entsprechend mitwachsen, weshalb hier 1885 mit dem zehnstöckigen Home Insurance Building das erste moderne Hochhaus der Welt entstand.

Als Chicago erstmals Schule machte

Im Zuge des neuen Bauens, das Innovationen wie die Stahlskelettbauweise und der elektrische Aufzug überhaupt erst ermöglichten, formierte sich auch die einflussreiche Chicagoer Schule. Zu ihr gehörten unter anderem Frank Lloyd Wright und Louis H. Sullivan, der den Leitsatz „Form follows function“ durch einen 1896 veröffentlichten Artikel mit dem Titel „The Tall Office Building Artistically Considered“ weltberühmt gemacht hat. Nicht minder prägend war Sullivans Ansatz einer an antike Säulen angelehnten vertikalen Gliederung des Bürohochhauses in drei Abschnitte. Prägend für den „internationalen Stil“ wiederum wurden die ebenfalls seinerzeit in Chicago entwickelten Vorläufer der gläsernen Vorhangwandkonstruktion.

Das 1910 fertiggestellte Frederick C. Robie House von Frank Lloyd Wright, gelegen nahe dem Campus der Universität Chicago, gilt als wichtigstes Beispiel des amerikanischen Prärie-Stils. Foto: © Tim Long

So viel zur Vergangenheit des Bauens und der frühen Erfolgsgeschichte Chicagos. Die Chicago Architecture Biennial hat sich als zukunftsgerichtete Architektur- und Design-Ausstellung allerdings primär den künftigen Anforderungen zu stellen. Zusammen mit anderen Foren und Plattformen weltweit muss sie Antworten im Sinne einer anderen Art von Fortschritt (als dem bisherigen Wachstum um jeden Preis) aufzeigen.

Stadt im Garten

Hilfreich bei der Suche nach Konzepten für die Architektur respektive Stadt von morgen, die Herausforderungen wie zunehmenden Wetterextremen gewachsen sein muss, wäre gewiss die Besinnung auf Chicagos lateinisches Motto. Es lautet „Urbs in Horto“ („Stadt im Garten“) und erinnert an die nie verwirklichte Idee, Chicago von Parklandschaften einzurahmen. Trotzdem man in der nach einer wilden Zwiebelart benannten Stadt überdies bislang zeitgemäße Ansätze wie biophile Architektur weitgehend vermisst, finden sich immerhin über 300 Parks und Grünflächen als Rückzugsräume.

Mehr noch sind die langen Uferpromenaden ein Argument für einen Besuch in der „Windy City“. Sie erschließen einen See, der Besuchenden aus Europa als regelrechtes Meer erscheint. Zum Vergleich: Der Lake Michigan besitzt mit 58.016 Quadratkilometern die ungefähre Größe Kroatiens. Er ist also fast anderthalbmal so groß wie beispielsweise Dänemark oder die Schweiz.

Das St. Regis Chicago der Architektin Jeanne Gang ist die jüngste Ergänzung in Chicagos Downtown. Foto: © Jason Dewey

Chicago Architecture Biennial lockt mit kostenlosem Eintritt

Wer sich in Chicago einen ersten Überblick über die Stadt und ihre Gebäude verschaffen will, kann an einer Architektur-Bootstour auf dem Chicago River teilnehmen. Zu den jüngsten Ergänzungen in Chicagos Downtown zählt das elegante, blau-grüne St. Regis Chicago aus der Feder der als „Stararchitektin“ gefeierten Jeanne Gang. Derzeit nimmt es mit seinem 101 Etagen hohen Glaskleid Platz drei der höchsten Gebäude der Stadt ein.

Die Reflexionen der Zeugnisse aus anderthalb Jahrhunderten Baugeschichte in den Fluten des Chicago Rivers zu erblicken, ist ein schöner Auftakt zu einem unvergesslichen Erlebnis. Den Mittelpunkt der Chicago Architecture Biennial bildet indes das Chicago Cultural Center. Wobei sich die Ausstellungsflächen durch ausgewählte Projekte und Programmpunkte außerhalb des Geländes auf die gesamte Stadt erstrecken. Als Anreiz nicht uninteressant: Sämtliche Veranstaltungen und Ausstellungen sind kostenlos für die Öffentlichkeit zugänglich.

Die Chicago Architecture Biennial 2023 (CAB 5) fängt am 21. September 2023 an und dauert bis zum 2. Januar 2024.

Weitere Informationen:

Chicago Architecture Biennial
www.chicagoarchitecturebiennial.org

Choose Chicago
www.choosechicago.com

 
Anzeige