Seien wir ehrlich – im Grunde ist es unmöglich, New York wirklich zu kennen. 1966 textete Keith Richards in Bezug auf seine damalige Freundin „Who could hang a name on you? When you change with every new day“. Der Refrain des Rolling-Stones-Klassikers „Ruby Tuesday“ passt aber genauso zur heimlichen Hauptstadt der USA. Wer in ihr in den 1970er-Jahren, als die Kriminalität überhand nahm, Zeit verbracht hat, erlebte einen vollkommen anderen Ort als in den Tagen der Yuppie-Ära unter Ronald Reagan in den 1980ern. Danach der große Einschnitt aufgrund der Anschläge von 2001. Die nächste Zäsur brachte die Subprime-Krise nach 2007. Der Lockdown des Jahres 2020 schließlich versetzte die Stadt, die eigentlich niemals schläft, kurzfristig in einen Dornröschenschlaf. Doch auch diesmal steht New York wieder auf und erfindet sich abermals neu. Permanenter Wandel ist nun einmal das einzig Konstante am Big Apple.
New York jenseits aller Klischees entdecken
Wenn man New York schon nicht greifen, geschweige denn begreifen kann, lohnt es sich zumindest, bei einem Besuch all das zu entdecken, was jenseits der klischeehaften Midtown liegt. Jener „Stadt aus Glas“ – um mit Paul Auster zu sprechen – mit ihren zum großen Teil reichlich austauschbaren Wolkenkratzern. Die geeignete Lektüre dafür ist jetzt im Midas Verlag erschienen: New York – Wie es keiner kennt. Der kompakte Bildband der Lifestyle-Redakteurin und Fotografin Susan Kaufman taugt nicht nur als alternativer Reiseführer, sondern begeistert ebenso diejenigen, die vorläufig lediglich vom Sofa aus auf Entdeckungsreise gehen wollen oder können. Auf 176 Seiten präsentiert Kaufman idyllische Ansichten von Straßen, Häusern, Hauseingängen, Gärten und Plätzen, die dem gängigen Bild von der lärmigen, verstopften und ultraschnelllebigen Millionenmetropole gehörig widersprechen. In manchen Fällen machen sie regelrecht sprachlos und in jedem Fall verursachen sie Fernweh – so gelungen sind die Fotos der ehemaligen Modechefin bei Condé Nast Publications.
Wenn Follower zu Begleitern werden
Entstanden sind Susan Kaufmans Aufnahmen in den letzten Jahren aus privatem Antrieb. Nachdem sie beruflich bereits viel gereist war, wollte sie endlich mehr von ihrer Stadt sehen und fotografierte, was ihr bei ihren Streifzügen durch Greenwich Village, West Village, East Village, NoHo & Nolita, SoHo, Gramercy Park, Murray Hill, Upper East Side, Carnegie Hill und Brooklyn Heights auffiel. Zunächst postete sie zahlreiche Bilder in sozialen Netzwerken. Dort wurde der Wunsch ihrer Followerinnen und Follower ständig lauter, Kaufman zu begleiten. Das ist nun quasi möglich geworden. Zusätzlich zu den lesenswerten Einführungen zu den einzelnen vorgenannten Stadtteilen enthält ihr Buch nämlich liebevoll gestaltete Karten, in die ihre Fotospots eingezeichnet sind. Und wer möchte, kann Markierungen ergänzen und legt bei Gelegenheit einfach Ausdrucke der eigenen Schnappschüsse mit dazu, um es in ein wahrhaft persönliches Exemplar zu verwandeln. Analog rockt!
Fazit
Leider ist man mit dem Durchblättern von „New York – Wie es keiner kennt“ viel zu schnell fertig. Garantiert nimmt man es jedoch immer und immer wieder in die Hand und legt es anschließend nie zu weit weg. Wer New York liebt, wird Susan Kaufmans Buch gleichermaßen ins Herz schließen. Bezaubert klappen wir es zum wer weiß wievielten Mal zu. Dann stellen wir uns vor, wie der ehemalige R.E.M.-Frontmann Michael Stipe „Leaving New York, never easy“ singt, und hoffen insgeheim, dass irgendwann ein zweiter Band von Susan Kaufman erscheint …
Susan Kaufman
NEW YORK – Wie es keiner kennt
Midas Collection
176 Seiten, Hardcover
ISBN 978-3-03876-215-7
Weitere Informationen:
Midas Verlag AG
www.midas.ch