Das Schweizer Offiziersmesser geht auch in Zivil mit durch dick und dünn. Dass die Designikone bis 1961 kein rein schweizerisches Produkt war, wissen nur wenige.

Auf Messers Schneide stand es für die Schweizer Uhrenindustrie in der Zeit der Quarzkrise zwischen den 1970er- und frühen 1980er-Jahren, als billige elektronische Uhren aus Fernost die Welt überschwemmten und die Menschen die Vorzüge der klassischen mechanischen Uhrmacherkunst vorübergehend aus dem Blick verloren.

Für ein anderes Quasinationalheiligtum lief es damals deutlich besser. 2001 dann geriet auch das Schweizer Offiziersmesser respektive seine beiden Originalhersteller in Turbulenzen – hierzu später mehr. Davon abgesehen trotzte der klappbare „Held des Alltags“ dem Zeitgeist und blieb bis heute unter anderem ein Sinnbild für Verlässlichkeit und Robustheit.

Krise und Marktbereinigung

Seine beispielhafte Vielseitigkeit wiederum führte dazu, dass das Schweizer Offiziersmesser (oder kurz das Schweizer Messer) sogar zur Metapher für alle möglichen Produkte mit besonders großem Funktionsumfang wurde. Das Vorbild selbst kam in der Spitze – als „Wenger Giant Knife“ – auf 141 Funktionen, realisiert mit 81 einzelnen Werkzeugen. Dieses leicht megalomanische, einzig für den Schaueffekt entwickelte Modell war allerdings eher Koffer- als Taschenmesser.

Koffer ist übrigens ein gutes Stichwort für die Krise, die das Pflichtmitbringsel aus dem Schweiz-Urlaub und Alternative zu Uhren „Made in Switzerland“ infolge der Terroranschläge vom 11. September 2001 erfasste. Als man Messer im Handgepäck verbot, ließen sie sich in Flughafen-Souvenirläden nicht länger verkaufen. Der Absatz brach so stark ein, dass Wenger in finanzielle Schieflage geriet und 2005 von Victorinox, dem zweiten Produzenten des originalen Schweizer Offiziersmessers, übernommen wurde.

Swiss Made in Germany?

Victorinox konnte die Absatzschwierigkeiten bei Taschenmessern dank erfolgreicher Diversifizierung besser abfedern. Neben dem Kultobjekt, das längst nicht mehr nur im typischen Rot erhältlich ist, gehören Küchenmesser, Armbanduhren, Reisegepäck und Duftwässer zur Produktpalette. Anders als bei vielen anderen Unternehmen gelang es, die Marke nicht mit Halbherzigkeiten und Unausgegorenem zu überdehnen, sondern auf allen Feldern beachtliche und oftmals ihresgleichen suchende Qualitäten anzubieten.

Nur die wenigsten wissen aber, dass das Schweizer Offiziersmesser vor 1961 kein rein schweizerisches Produkt war. Bis dahin produzierten den Standard-Ausrüstungsgegenstand der Schweizer Armee nämlich ebenso Firmen aus Deutschland; so wie schon im Fall des allerersten Modells von 1891. Das musste – da heimische Produktionskapazitäten zunächst fehlten –, kurzerhand in Solingen bestellt werden. Victorinox-Gründer Karl Elsener konnte einige Monate danach liefern, Konkurrent Wenger hingegen produzierte erst ab 1901 für die Schweizer Armee.

Ob mit Schalen aus Kunststoff oder Aluminium – auf das Schweizer Offiziersmesser ist stets Verlass.

Schweizer Offiziersmesser als Gradmesser für technischen Fortschritt

Im zivilen Leben geht der praktisch unverwüstliche Designklassiker ebenfalls seit vielen Jahrzehnten als treuer Begleiter mit durch dick und dünn. Er begleitet Expeditionen hinauf auf Achttausender und Do-it-yourself-Fans hinab in den Hobbykeller. Mittlerweile ist das Schweizer Offiziersmesser außerdem zum Gradmesser für technischen Fortschritt geworden: Versionen mit Extras wie LED-Taschenlampe, USB-Stick oder Höhenmesser sorgen immer wieder dafür, dass der Klassiker im Gespräch bleibt.

Limitierte Auflagen und zahlreiche neue Variationen des Themas Taschenmesser – beispielsweise die „Swiss Card“ für die Brieftasche – taten in den letzten Jahren ein Übriges, um den Kult ums Schweizer Messer nicht abreißen zu lassen. Es scheint unwahrscheinlich, dass sich das in nächster Zukunft ändern und jemand den Eidgenossen den Schneid abkaufen könnte.

Weitere Informationen:
Victorinox AG
www.victorinox.com

Bildhinweis:
Das Titelbild zeigt das limitierte Sondermodell „Swiss Spirit Special Edition 2020“ von Victorinox. Für alle Bilder gilt: © Victorinox

 
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