Wer Wiener Kaffeehauskultur erleben will, muss dafür nicht an die Donau reisen, sondern kommt nach Münster – ins neue Café Herr Hase. Foto: © Thorsten Arendt

Die Wiener Kaffeehauskultur ist in der Donaumetropole trotz der „Systemgastronomie-Invasion“ noch sehr lebendig. Das bewies im vergangenen Jahr unser Beitrag über das Café Bellaria – Wiens ältestes in Betrieb befindliches Kaffeehaus. Hier und heute soll es um eine Neueröffnung in Münster gehen. Das Café Herr Hase bringt Wiener Kaffeehauskultur nach Westfalen. Inklusive der obligaten Bugholzstühle.

Wien und Münster trennen 750 Kilometer Luftlinie sowie bei der Einwohnerzahl nahezu Faktor zehn. Hinzu kommt, dass Österreichs Hauptstadt vier Jahrhunderte lang das Zentrum einer europäischen Großmacht bildete. Es gibt jedoch auch Gemeinsamkeiten mit der früheren preußischen Provinzhauptstadt. Man denke an die Rolle Münsters für den Westfälischen Friedensschluss von 1648, mit dem der verheerende Dreißigjährige Krieg ein Ende fand. Europa erfuhr damals – wie 1815 beim Wiener Kongress – eine territoriale Neuordnung. Wenn das kein Grund dafür ist, Wiener Kaffeehauskultur nach Münster zu holen, dann macht man es vielleicht einfach aus Begeisterung für die Tradition.

Eine zeitgemäße Interpretation

Münsters neues Café Herr Hase will nicht als Museum für Wiener Kaffeehauskultur verstanden werden. Hier dreht sich alles um die zeitgemäße Interpretation dessen, was seit 2011 zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO gehört. Allerdings mit den klassischen Ingredienzien. Dazu zählen insbesondere die frisch zubereiteten Kaffeespezialitäten aus eigener Röstung, mit denen Sven Hasenclever seine Gäste verwöhnt. Der Gastronom ist in Münster kein Unbekannter. Er betreibt in der Stadt bereits eine eigene Kaffeerösterei und ein weiteres Café. Die neue Niederlassung in der Ostmarkstraße dient der Verwirklichung seines Lebenstraumes vom Kaffeehaus nach Wiener Vorbild.

Ob an der Donau oder in Westfalen: Wiener Kaffeehauskultur ist nur echt, wenn die Bestuhlung stimmt.

Die Lage ist gut gewählt. Münsters Erphoviertel ist ein beliebter Stadtteil mit lockerer Bebauung und zahlreichen Villen östlich des historischen Stadtkerns. Schon aus der Entfernung fällt das Gebäude auf. Hierfür sorgen Türmchen und Erker sowie die rosafarbene Fassade. Großzügige Rundbogenfenster lassen viel Licht ins Innere des Ladenlokals im Erdgeschoss mit seinen hohen Decken und Ornamentfliesen. Nach umfassender Sanierung unter der Leitung von Architekt Fabian Holst von Studio eto ist in den Altbau echtes Kaffeehausflair eingezogen.

In der Wiener Kaffeehauskultur bewährte Designklassiker für Münster

Wer A sagt, muss auch B sagen? Für Wiener Kaffeehauskultur unverzichtbar sind jedenfalls die traditionellen Bugholzstühle. Mit ihrer Entscheidung für Thonet setzten Architekt und Bauherr auf Ästhetik und mehr als hinreichend erwiesene Funktionalität und Langlebigkeit. Nicht zuletzt im Sinne der Nachhaltigkeit eine gute Wahl. Im Hinblick auf Authentizität sowieso. Für Sven Hasenclever stand von vornherein fest: „Thonet-Stühle müssen her. Deren Design ist in den Kaffeehäusern in Wien der absolute Klassiker.“ Konsequenterweise entschied man sich für den Thonet 214 (Teil unserer Reihe Design für die Ewigkeit). Mit ihm als Urtypus des Bugholzstuhls begann 1859 die Geschichte des modernen, seriell gefertigten Möbels.

Unerwarteter Eyecatcher: Rot lackierter Bugholz-Armlehnstuhl 209, für Thonet von Sebastian Herkner entworfen.

Der ebenfalls eingesetzte elegante Bugholz-Armlehnstuhl 209 wertet durch seine organische, fast skulpturale Form den ganzen Raum zusätzlich spürbar auf. Und auch die übrigen Möbel im Café Herr Hase stammen von Thonet. Zum einen handelt es sich dabei um Modelle aus der von Sebastian Herkner entworfenen Serie Thonet 118 – eine Neuinterpretation des Bugholz-Themas –, zum anderen um schlanke Stahlrohrmöbel. Darunter der schmale, längliche Beistelltisch B 10 aus der Feder von Marcel Breuer.

Melange gefällig?

Will man in Nordrhein-Westfalen ein Stück Wiener Kaffeehauskultur erleben, ist man im Café Herr Hase genau richtig. Mit viel Liebe zum Detail entstand ein spannender Ort mit hoher Aufenthaltsqualität. Zufrieden zeigt sich Inhaber Hasenclever: „Ein bisschen wie in Wien, aber dennoch mit ausreichend Münster-Charme und Heimatverbundenheit.“ Damit wäre das Wichtigste über das neue Café als keineswegs teurere Alternative zur ubiquitären austauschbaren Systemgastronomie gesagt. Niemand kann jetzt noch behaupten: „Meine Name ist Hase, ich weiß von nichts.“

Weitere Informationen:

Café Herr Hase
www.herr-hase.com

Studio eto
www.studioeto.de

Thonet GmbH
www.thonet.de

Bildhinweis:
Für alle Fotos gilt: © Thorsten Arendt

 
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