Schon immer vertreten wir die Position, dass eine kategorisch betriebene utilitäre Herangehensweise an gestalterische Herausforderungen der komplexen menschlichen Natur nicht gerecht wird. Schließlich erleben Menschen die Realität sinnlich und sind – anders als Maschinen – keineswegs rein kybernetisch zu begreifen. Was nicht heißen soll, dass ein einzelnes Element eines Ensembles – beispielsweise ein Lichtschalter als Teil einer Inneneinrichtung – für sich genommen nicht gelegentlich nüchtern oder spröde wirken darf.
Eine Frage der Balance
Demgegenüber ist das andere Extrem einer ins Alberne abdriftenden Spielerei als Designstrategie kaum erfolgversprechender, weswegen das Geheimnis guten Designs wohl am ehesten in der ausbalancierten Verbindung verschiedener Dimensionen zu suchen ist. Wir kommen später darauf zurück. Vorher zur Vermeidung von Missverständnissen ein kurzer Hinweis.
Uns liegt nichts ferner, als in Klischees zu denken. Hinsichtlich vermeintlicher nationaler Eigenschaften und Neigungen zum Beispiel. In konsequenter Abgrenzung dazu kann es jedoch legitim und sinnvoll sein, auf Besonderheiten hinzuweisen, die aus der Prägung durch ein gemeinsames kulturelles Erbe resultieren und sich auf natürliche Art in vielen Lebensbereichen ausdrücken.
Typisch italienisches Design?
In diesem Sinne wird man feststellen dürfen, dass für italienisches Design durchaus bestimmte Qualitäten typisch sind, die in der Vergangenheit häufig Alternativen zur funktionalistischen Überspanntheit aufzuzeigen vermochten. Und zwar erstens ohne Preisgabe des Gebrauchswertes und zweitens durch das Einbeziehen von etwas, das man als sinnlichen Erfahrungsbereich bezeichnen könnte. Man denke beispielshalber an die berühmte rote Olivetti-Schreibmaschine „Valentine“ von 1969 aus der Feder von Ettore Sottsass, von dem gleich noch einmal die Rede sein wird, an den Fiat Nuova 500 von 1957 oder die ähnlich formschönen, auffällig abgerundeten Haushaltsgeräte von Smeg.
Eine weitere mögliche Beschreibung wäre, von einer gewissen Leichtigkeit oder Lässigkeit (auf italienisch sprezzatura genannt) zu sprechen. Worte, die – trotzdem sie optisch angebracht erscheinen – die Ernsthaftigkeit des Ringens um gute Form im Einklang mit dem Zweck allerdings zu überdecken drohen. Besser geeignet ist wahrscheinlich der Begriff „spielerische Geschmeidigkeit“, vergleichbar etwa mit dem bezaubernden, zarten Flügelschlag eines Falters, der gemäß der Theorie vom Schmetterlingseffekt bekanntlich für mächtige Impulse in weit entfernten Teilen der Welt sorgen kann.
Italienisches Design versus Bauhaus
Bisweilen führte das sogar zur Ausbildung regelrechter Gegenbewegungen zur reinen Bauhaus-Lehre. So entwickelte die 1980 um Ettore Sottsass herum entstandene Mailänder Designgruppe Memphis eine international einflussreiche Formensprache, welche die Fantasie und Intuition involvierte. Nach anfänglichem Unverständnis – wie es bei Innovationen oft der Fall ist – gab sie auch in Deutschland den Anstoß zu einer neuen, bis heute nachwirkenden Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Form und Funktion.
Doch zurück zur italienischen Designtradition. Ein exzellent zu den zuvor angestellten Überlegungen passendes Beispiel liefert Masiero. Der 1982 – fast zeitgleich mit Memphis – unweit von Venedig im italienischen Casale sul Sile gegründete, im Luxus-Segment angesiedelte Leuchtenhersteller verbindet italienisches Design mit höchster Handwerkskunst. Neben von der venezianischen Glasbläserkunst inspirierten Kronleuchtern umfasst das weltweit gefragte Sortiment von Masiero moderne Kollektionen wie jene mit dem schönen Namen Papilio (lateinisch für Schmetterling).
Masiero Papilio: italienische Lebensfreude in voller Funktion
Bei Papilio treffen innere Gläser aus weißem Muranoglas auf ein abgerundetes, lackiertes Metallgestell mit außen befestigten Schirmen aus feinmaschigem Metall. Unübersehbar zeigen die Wand-, Hänge- und Tischleuchten der Serie den gelungenen Versuch, aus einzelnen Funktionserfüllern ein fantasievolles Gesamtgebilde zu komponieren. Womit wir wieder bei der Eingangsthese wären, denn die spielerische Leichtigkeit ergibt sich erst im Zusammenspiel der einzeln betrachtet nüchternen Bausteine. Das Ganze ist somit in mehrfacher Hinsicht mehr als die Summe seiner Teile.
Bei Masiero glaubt man nicht, mit den von Armando Bruno und Alberto Torres entworfenen „Schmetterlingen“ am anderen Ende der Welt einen tropischen Wirbelsturm auszulösen. Das ist – jenseits der Metaphorik – bewusstes Understatement. Unabhängig davon, dass die Flügel dieser „Schmetterlinge“ offensichtlich nicht schlagen, leistet Papilio nämlich etwas, das zum Großartigsten zählt, was sich mit einem Entwurf erreichen lässt: die Leuchten verbreiten pure (italienische) Lebensfreude.
Weitere Informationen:
MASIERO S.R.L.
www.masierogroup.com