Vermeintlich denkende Hausgeräte gab es schon vor Jahrzehnten. Sehr smart waren sie nicht. Kommen jetzt die schlauen Helferlein, die uns die Bedeutung Worte „lästig“ und „Routine“ vergessen lassen?

Das war der Moment, als ich dieses vermeintliche Ding aus der Zukunft erstmals erblickte. Es muss 1980 gewesen sein. Der Ort: die Abteilung für Haushaltsgeräte eines großen Warenhauses, das bereits vor vielen Jahren verschwand. Da stand er also, der „denkende Staubsauger“. Die Marketing-Verantwortlichen bei Siemens hatten beim Wording ganze Arbeit geleistet. Der technischen Realität waren sie allerdings enteilt. Eines Tages würden uns schlaue Helferlein gewiss die Bedeutung der Worte „lästig“ und „Routine“ vergessen lassen. Vorläufig musste dieser weinrote Schlittenstaubsauger genügen, den man zwar wie gewohnt hinter sich herziehen musste. Dafür passte er die Saugstärke automatisch an den jeweiligen Bodenbelag an. Dass er dennoch keine wirkliche Denkfähigkeit besaß, durchschaute man auch als Kind sofort.

Der Siemens Super 89 S-Electronic war trotzdem hinreichend interessant, um sich noch heute an ihn zu erinnern. Neun grüne Leuchtdioden, angeordnet in einem Diagramm, zeigten die aktuelle Leistungsstufe. In einer Zeit, in der es statt Touchscreens und Apps Röhrenfernseher und Tageszeitungen gab, sah das beeindruckend aus. Die Darstellung von Zustandsinformationen und das Wecken von Kaufinteresse gingen hier freilich Hand in Hand. Mit etwas Fantasie ließen sich im Nachhinein sogar Parallelen zur Cockpit-Gestaltung des denkenden, sprechenden und autonom fahrenden Wunderautos namens KITT aus der zwei Jahre später gestarteten US-Erfolgsserie „Knight Rider“ erkennen.

Der Mensch als Dirigierender der Technik

Von der Leistungsfähigkeit des Gefährts von Michael Knight alias David Hasselhoff sind die Fahrzeuge, die bei Tesla entstehen, weit entfernt. Nichtsdestoweniger bezeichnete Unternehmenschef Elon Musk sie unlängst als „Roboter auf Rädern“. Womit er begründen wollte, warum die für den Herbst angekündigte Vorstellung eines humanoiden Roboter-Prototypen nur konsequent sei. Werden jetzt endlich all die Zukunftsversprechen von fliegenden Autos, Urlaubsreisen zu fremden Planeten und so weiter eingelöst, die populärwissenschaftliche Magazine und Fernsehshows schon den Babyboomern und ihren Eltern machten?

Selbst wenn Musk der technologische Durchbruch mit seinem Humanoiden gelänge, dürfte es noch geraume Zeit dauern, bis sich unser Leben dadurch ändert. In der Zwischenzeit werden wir dank weiterer Erfindungen zunehmend zu Dirigierenden der Technik in unserem Heim. So präsentierte die Robert Bosch Hausgeräte GmbH mit dem SMV8YCX03E kürzlich ihren ersten aus Rückmeldungen ‚lernenden‘ Geschirrspüler. Das klingt deutlich bescheidener als seinerzeit das Gerede vom ‚denkenden‘ Staubsauger. Dabei ist der Bosch ungleich smarter. Er passt seine Funktionen an die optionale Bewertung an, die man nach jedem Spülvorgang mithilfe einer speziellen App abgeben kann. War die Reinigung in Ordnung? Wie sieht es mit der Trocknung aus? Ging das Ganze schnell genug?

Der SMV8YCX03E und seine Bewertungs-App. © Robert Bosch Hausgeräte GmbH

Die Kontrolle bewahren

Mit der Geschichte der Haushaltsgeräte Vertraute kennen sicherlich den Sinnerschen Kreis. Der stammt von Herbert Sinner, dem früheren Leiter der Waschmittel-Anwendungstechnik bei Henkel. Die von ihm in den späten 1950er-Jahren erstmals als Kreisdiagramm dargestellten Parameter Chemie, Mechanik, Temperatur und Zeit sind nach wie vor die relevanten Stellschrauben für zahlreiche Reinigungsaufgaben – Wäsche, Geschirr und so weiter. Im Fall des neuen Bosch-Geschirrspülers werden diese passend zum Feedback aufeinander abgestimmt. Den Empfehlungen des Geräts – aufgeschlüsselt nach Energieverbrauch – kann man dann folgen oder seine eigene Wahl treffen.

Das ist übrigens ein wichtiger Punkt. Bei allem Delegieren sollten Menschen stets die finale Kontrolle über ihre Geräte behalten. Bei Geschirrspülern oder heutigen Saugrobotern mag das unkritisch sein. Die in den letzten Jahren immer wieder geäußerten Befürchtungen hinsichtlich der künftigen Unkontrollierbarkeit von autonomen Maschinen und Waffensystemen lassen aber erahnen, dass der Übergang vom Segen zum Fluch in der von künstlicher Intelligenz getriebenen Welt von morgen insgesamt gesehen ein äußerst fließender sein könnte.

Herzlichst
Michael Graef

Chefredakteur und Mitbegründer von COLD PERFECTION

 
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