Verantwortung im globalen Maßstab: Die NASA-Visualisierung zeigt die verschiedenen Quellen von Methan als zweitgrößtem Verursacher des Treibhauseffekts. © NASA/Scientific Visualization Studio

Die Perfektionierung der Ausnutzung der Maschinenkraft und die Spaltung des Atoms führten im vergangenen Jahrhundert zu einer völligen Entgrenzung der menschlichen Einflusssphäre. Seither reicht sie über den Erdkreis und die Gegenwart hinaus. Weil die Menschheit imstande ist, sich und mithin jede künftige Generation auszulöschen. Den Philosophen Hans Jonas veranlasste das zum „Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation“. So lautet der Untertitel seines Buchs „Das Prinzip Verantwortung“ aus dem Jahr 1979. „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden“, heißt es in dem wegweisenden und zugleich umstrittenen Werk. Lässt sich aber sinnvollerweise überhaupt noch anzweifeln, dass jeder Mensch, der nur die geringste Macht hat zu gestalten, Verantwortung trägt – für sich und für die gesamte Menschheit als Mitverantwortung?

Belege und Begründungen ließen sich im Bedarfsfall beispielsweise im Grundgesetz finden, das ebenfalls von einem weit gefassten Verantwortungsprinzip ausgeht. Alternativ wird man im Marvel-Universum fündig. Wer bei Spider-Man alias Peter Parker gut aufgepasst hat, weiß, worum es geht.

Jeder Mensch ist ein Gestalter

Wenn hier vom Gestalten die Rede ist, meint das freilich mehr als das Entwerfen von Dingen, mit dem wir uns in diesem Journal vornehmlich beschäftigen. Damit lässt sich eine Menge erreichen – und es macht zuversichtlich zu beobachten, wie viele mit Design Befasste heute neue Wege gehen. Es sei allerdings daran erinnert, dass weit darüber hinausgehend in Anlehnung an den Erweiterten Kunstbegriff von Joseph Beuys und den berühmten Satz – „Jeder Mensch ist ein Künstler“ – jeder Mensch ein (Mit-)Gestalter der eigenen Umwelt ist. Das bewahrheitet sich zum Beispiel bei den tagtäglichen Kaufentscheidungen. Hierbei trägt man Verantwortung für die Hinweise, die man der Industrie gibt, entweder am Modus Operandi festzuhalten oder einen Kurswechsel hin zu umweltverträglichen Produktionsweisen zu vollziehen.

Während Markt und Marktwirtschaft genau wie die Natur keinerlei Verantwortung kennen, können Menschen von sich selbst absehen und sich für etwas engagieren, das den individuellen Erfahrungshorizont räumlich und zeitlich transzendiert. Erfreulicherweise kann man hierfür dieselben Mechanismen aus Angebot und Nachfrage nutzen, welche uns in die gegenwärtige ökologische Krise gestürzt haben. Das dürfte im Augenblick sogar sehr viel wirkungsvoller sein als es eine Fundamentalkritik am System ist, die sich nicht mit realisierbaren Lösungsvorschlägen verbindet – sowie andererseits die überall zu besichtigende Melange aus Verdrängen und dem Hoffen auf ein Deus ex Machina. Nein, Spider-Man ist tot. Den Job müssen wir allein erledigen – oder am besten alle zusammen.

Herzlichst
Michael Graef

Chefredakteur und Mitbegründer von COLD PERFECTION

Bildhinweis:
Das Titelbild – eine NASA-Visualisierung – zeigt die verschiedenen Quellen von Methan als zweitgrößtem Verursacher des Treibhauseffekts. © NASA/Scientific Visualization Studio

 
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