Nachhaltigkeit ist für Sebastian Frank ein „sehr großes Wort, das leider sehr inflationär verwendet wird“. Der Creative Director bei LucyBalu, einem Label für hochwertige Katzenmöbel, erklärt in unserem Designer-Fragebogen weiter: „Per se ist jedes Konsumprodukt erst mal nicht nachhaltig – egal wie ‚gut‘ es produziert wird oder aus was“.
Aus Unternehmen hört man derlei Statements nach wie vor selten. Doch allmählich beginnt sich der Wind zu drehen. Kritischer gewordene und besser informierte Konsumierende erwarten heute mehr. Halbherzige Bemühungen, mit einem etwas geringeren Naturverbrauch auszukommen, die durch PR-Profis anschließend auf maximale Wirkung gequält werden, reichen nicht länger aus. Eine wichtige kommunikative beziehungsweise stilistische Blaupause für diese als „Greenwashing“ bezeichnete Praxis lieferte einst Opel. Ende der 1980er-Jahre ließ der Autohersteller erstmals paradiesische Naturaufnahmen mit Louis Armstrongs „What a Wonderful World“ unterlegen und schuf so einen Werbeklassiker. Zugleich der wohl absurdeste Reklamefilm, der je für ein Gerät zur Umweltzerstörung warb, das als Nebeneffekt Mobilität erzeugt.
Wir alle haben die Wahl
Eine unbequeme Wahrheit in dem Zusammenhang lautet: Wir selbst müssen die Veränderungen (mit) herbeiführen, die wir in der Welt sehen wollen. Wie das gehen soll? Man könnte bei den eigenen tagtäglichen Kaufentscheidungen beginnen. Es bringt viel, kurzlebige Moden und Trends konsequent zu ignorieren. Stattdessen wäre es sinnvoll, in jedem Lebensbereich Dingen den Vorzug zu geben, die sorgfältig gestaltet und hergestellt wurden, so dass sie halten. Um sie möglichst lange zu behalten.
Übrigens bedeutet dieser Quasikonsumverzicht weder weniger Lebensqualität, noch bedroht er unseren Wohlstand, wie manche meinen. Langfristig stärkt er sogar die Wirtschaft. Er beschleunigt eine ohnehin unaufhaltsame Transformation und hilft Marktteilnehmenden, die schon jetzt gut für die Zukunft aufgestellt sind.
Schnörkellose Übersetzung von Funktion in Form
Um die Frage des Haltens geht es auch im neuesten Teil unserer Reihe Design für die Ewigkeit. Der beschäftigt sich mit dem S-Dübel. Laut- und klaglos verrichtet dieses kleine Kerlchen seit Jahrzehnten seinen Dienst inmitten der Finsternis von Wänden. Er ist jedoch nicht „von Arbeit ganz grau“, wie es bei Herbert Grönemeyer heißt, sondern bekanntermaßen von Hause aus meist farb- und stets schmucklos. Der S-Dübel ist sozusagen eine „ehrliche Haut“, um erneut Grönemeyers hymnisches „Bochum“ zu bemühen. Ein Design, das vollkommen unprätentiös daherkommt. Die völlig zier- und schnörkellose Übersetzung von Funktion in Form. Inwieweit die Erfindung von Artur Fischer bereits die Kunstwelt inspiriert hat, lesen Sie ebenfalls in unserem Beitrag.
Herzlichst
Michael Graef
Chefredakteur und Mitbegründer von COLD PERFECTION