Im Gespräch mit COLD PERFECTION: die beiden Gründerinnen des Fair-Fashion-Labels „JAN ‘N JUNE“, Anna Bronowski und Juliana Holtzheimer

„Warum gibt es eigentlich kein Fashion-Label, das nachhaltige Bekleidung anbietet, die sowohl modern und attraktiv ist als auch erschwinglich?“ 2013 stellten sich die beiden Hamburgerinnen Anna Bronowski und Jula Holtzheimer diese Frage und fanden nur eine Antwort: Weil sie selbst diese Marktlücke noch nicht geschlossen hatten. Bereits im Jahr darauf war es dann so weit. Ihr Label „JAN ‘N JUNE“ ging an den Start. Seitdem entwickeln sich für Anna Bronowski und Jula Holtzheimer die Dinge sehr schnell. Die attraktiven Designs mit dem grünen Gewissen werden inzwischen europaweit angeboten. Und das zu Preisen, die das Gros der klassischen Bekleidungsunternehmen in Erklärungsnöte bringen. Denn nach wie vor weigern diese sich, wirklich Schluss zu machen mit der ungenierten Ausbeutung von Mensch und Natur.

Mit den erfolgreichen Unternehmerinnen, die außerdem als Autorinnen hervorgetreten sind („Minimal Fashion“, erschienen bei Dorling Kindersley), sprachen wir unter anderem über Kompromisslosigkeit und das Weglassen von Überflüssigem.

CP: Beim Thema Mode und Hamburg denkt man unwillkürlich an Jil Sander. „Queen of less“ wurde die legendäre Designerin einmal genannt. Eure Mode ist ebenfalls von einer bestechenden Einfachheit gekennzeichnet. Wer sind eure Vorbilder, was inspiriert euch?

JAN ‘N JUNE: Wir laufen immer den schmalen Grat zwischen Trend und Zeitlosigkeit. Um uns von anderen Fair-Fashion-Brands abzusetzen, müssen wir auch ein paar Modetrends mitnehmen. Trotzdem bauen unsere Kollektionen stets auf zeitlosen Lieblingsteilen auf, die auch unabhängig von der Kollektion gemischt werden können.

CP: Less is more: Das Weglassen von Überflüssigem ist nicht nur optisch ein großes Thema bei euren schnörkellosen Kollektionen. Es ist zugleich quasi die Quintessenz eures Gegenentwurfs zu „Fast Fashion“ – schneller Wegwerfmode, die billig produziert wird, gleichzeitig aber teuer ist für Mensch und Umwelt. Wann habt ihr angefangen, euch intensiv mit Fragen der Nachhaltigkeit zu befassen? Gab es ein Schlüsselerlebnis?

JAN ‘N JUNE: Wir hatten im Studium einen sehr bewussten Professor, der uns aufgeklärt hat, welche Ökobilanz die unterschiedlichen Materialien haben und unter welchen Bedingungen Kleidung hergestellt wird. Seit Beginn unseres Studiums im Jahr 2010 kreisen die Gedanken also immer wieder um das Thema.

CP: Jedes eurer Kleidungsstücke gibt genauestens Aufschluss darüber, wie, wo und von wem es hergestellt wurde. Wie fandet ihr die richtigen Partner zur Verwirklichung eurer Ideen von fair produzierter, nachhaltiger Mode?

JAN ‘N JUNE: Das war eine große Suche! Die Nähereien haben wir durch Empfehlungen gefunden. Stofflieferanten haben wir uns dagegen auf Stoffmessen selbst zusammengesucht. Zertifikate wie GOTS, GRS oder IVN BEST helfen dabei aber sehr.

CP: Wie entsteht eine „JAN ‘N JUNE“-Kollektion? Kommt zuerst ein Motto, ein übergeordnetes Thema für alle Designs oder ergibt sich das umgekehrt aus den ersten Entwürfen?

JAN ‘N JUNE: Erst kommt ein übergeordnetes Thema und vor allem eine Farbpalette. Die ordnen wir dann dem Kollektionsrahmenplan zu, der uns hilft, die richtige Anzahl an Ober- und Unterteilen, Kleidern und Accessoires zu kreieren.

CP: Wie teilt ihr die Arbeit untereinander auf? Habt ihr jeweils feste Ressorts oder erarbeitet ihr alles weitgehend gemeinsam?

JAN ‘N JUNE: Gemeinsam machen wir eigentlich neben der Geschäftsführung nur noch das Design. Alles andere hat sich nach und nach aufgesplittert und einige Bereiche werden mittlerweile auch eigenständig von Mitarbeitern geführt und bearbeitet.

CP: Wie wählt ihr die Materialien für eure Kleidung aus? Mit welchen Stoffen arbeitet ihr am liebsten?

JAN ‘N JUNE: Vorweg: DAS nachhaltige Material gibt es noch nicht. Gern benutzen wir also einen Mix aus dem, was uns zur Auswahl steht – innerhalb der strengen Kriterien der Sustainability. Kurz: zertifizierte Bio-Baumwolle, Tencel (Markenname der österreichischen Lenzing AG für die Stoffart Lyocell, eine aus Cellulose bestehende Regeneratfaser, Anm. d. Red.), recyceltes Polyester aus Plastikflaschen, recyceltes Polyamid aus Meeresmüll und Bio-Leinen.

CP: Welchen Einfluss haben Kundenwünsche auf eure Designs? Bekommt ihr viele Anfragen, die zu neuen Produkten führen oder macht ihr eher euer eigenes Ding?

JAN ‘N JUNE: Indirekt beeinflusst der Kunde auch ein bisschen das Design. Wir wissen, dass Basics immer gewünscht und beliebt sind.

CP: Wie weit seid ihr noch dazu gezwungen, bei der Umsetzung eurer Vision Zugeständnisse zu machen? Was wäre für euch inakzeptabel?

JAN ‘N JUNE: Wir schrauben nie an der Nachhaltigkeit, um den Einkaufspreis zu senken und den Profit zu erhöhen.

CP: Zu eurem Angebot gehören Netze, die verhindern sollen, dass beim Waschen Mikroplastik in die Umwelt gelangt. Könnt ihr euch vorstellen, ganz auf Synthetik zu verzichten?

JAN ‘N JUNE: Nicht wirklich. Denn alles, was wir nutzen, wird aus Müll gemacht, den wir zu Haufen schon produziert haben. Dem ein neues Leben zu verleihen scheint nur sinnvoll.

CP: Gemessen an eurer gut erkennbaren, überzeugenden Design-Handschrift ist es leicht vorstellbar, dass euer Label weiterhin Erfolg haben wird, wenn eines Tages die großen Modeketten Ernst machen mit der derzeit überwiegend in Form von Feigenblättern vorhandenen Nachhaltigkeit, so dass dieses Alleinstellungsmerkmal wegfällt. Wie seht ihr das?

JAN ‘N JUNE: Nachhaltige Mode hat bisher einen Anteil von unter fünf Prozent am deutschen Modemarkt. Damit mehr Leute darauf aufmerksam werden, ist es gut, dass die „Großen“ zumindest eine Sensibilität für das Thema schaffen. Wir sagen aber auch immer, dass man sich als Konsument überlegen soll, welche Firmen man unterstützt und welche nicht. Letztendlich haben wir das selbst in der Hand.

CP: Welches Produkt aus eurem umfangreichen Portfolio ist euer Favorit? Welches war am schwierigsten zu verwirklichen?

JAN ‘N JUNE: Wahrscheinlich der Trenchcoat „LOTIC“ aus recyceltem Meeresmüll. Der knittert kaum, ist thermo-regulierend und der beste Partner für Frühjahr, Sommer und Herbst.

CP: Was ist euer nächstes Projekt? Arbeitet ihr schon an einer neuen Kollektion? Ist ein weiteres Buch geplant?

JAN ‘N JUNE: Gerade arbeiten wir tatsächlich schon an Herbst/Winter 20/21. Verrückt oder?

CP: Wir danken euch für die Einblicke und wünschen viel Erfolg für alle weiteren Projekte.

Mehr Informationen über Anna Bronowski und Jula Holtzheimer beziehungsweise über ihr Label JAN ‘N JUNE:
www.jannjune.com

 
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