Mit Oliver Scherdel sprachen wir über Stille und Kreativität, aber auch über die Notwendigkeit, sich bei drängenden Zukunftsfragen Gehör zu verschaffen.

COLD PERFECTION traf Oliver Scherdel, Geschäftsführer von Silentrooms. Das in Frankfurt am Main beheimatete Unternehmen sorgt durch die schallabsorbierende Ausstattung von Decken und Wänden für wohltuende Stille in Büros, Schulen, öffentlichen Gebäuden oder einfach überall dort, wo es unangenehm hallt, weil moderne schallharte Materialien verbaut wurden. Abtrennungen, Deckensegel, Stellelemente und Wandverkleidungen gehören ebenso zum Portfolio wie mit Motiven nach Wunsch bedruckbare Absorber, die sich wie Gemälde handhaben lassen.

Ohne viel Lärm zu machen, setzt Silentrooms nebenbei wichtige Impulse bei Nachhaltigkeit, Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit. Paradoxerweise keineswegs selbstverständlich in einer Branche, die sich doch eigentlich unmittelbar mit der gesundheitlichen Prophylaxe beschäftigt.

Mit Oliver Scherdel sprachen wir über Kreativität und Stille, aber auch über die Notwendigkeit, sich bei drängenden Zukunftsfragen Gehör zu verschaffen.

CP: Herr Scherdel, wie ist die Idee entstanden, ein Unternehmen für Schallabsorber zu gründen?

Oliver Scherdel: Raumakustik wurde in der Arbeitswelt eher nachrangig betrachtet. Für eine gute Leistung der Mitarbeiter ist allerdings ein Wohlfühl-Umfeld wichtig und wirkt leistungssteigernd. Wir kommen nicht aus der technischen Schiene der Akustik, sondern verstehen uns als Einrichter, die ihren Schwerpunkt auf die Raumakustik gelegt haben. Wir setzen auf akustische Maßnahmen, die architekturverträglich sind und nicht stören, haben aber immer das Gesamtkonzept der Architektur im Fokus.

CP: Wie fanden Sie die richtigen Partner zur Verwirklichung Ihrer Vision?

Oliver Scherdel: Tatsächlich im Wettbewerb. Irgendwann lernte ich bei einem Kunden das Material für unser Produkt „BaseLine“ kennen und war sofort davon überzeugt. So einfach, so ökologisch und trotzdem so funktional …

CP: Wodurch heben sich Ihre Produkte aus dem Umfeld der Mitbewerber heraus?

Oliver Scherdel: Unsere Produkte sind nicht brennbar. Allein der Überzug entscheidet über die Brandklasse. Trotz der nicht brennbaren Ausführung sind sie in alle Bestandteile zerleg- und recycelbar. Dabei enthalten sie keine WHO-Fasern, sind also nicht lungengängig und müssen nicht bei der Entsorgung deponiert werden.

Die Müllvermeidung ist ja eine große Herausforderung in der heutigen globalen Welt. Und nur weil wir es vergraben und nicht mehr sehen oder in andere Länder exportieren, ist es ja nicht weg. Es wird zu einer anderen Zeit oder an einem anderen Ort erneut zum Problem.

CP: Welches Produkt aus Ihrem umfangreichen Portfolio ist Ihr persönlicher Favorit und welches – falls davon verschieden – empfehlen Sie am häufigsten?

Oliver Scherdel: Eindeutig BaseLine 45. Es ist ein Schallabsorber der Klasse A, das heißt höchst absorbierend. Mit lediglich 45 mm Stärke wirkt er ästhetisch und schlank. Die Ecken sind absolut hochwertig verarbeitet, sodass Stöße der einzelnen Paneele jeweils nur eine Haarfuge ergeben. Das muss erst einmal einer nachmachen. Ein Produkt von höchster ästhetischer Qualität, umweltverträglich und hoch effizient.

CP: Welchen Aspekt Ihrer Arbeit – vom Design und der Konzeption und Planung über die Produktion bis zur Vermarktung und Beratung vor Ort – schätzen Sie am meisten?

Oliver Scherdel: Die Beratung beim Kunden vor Ort. Das Schöne an unserem Beruf ist ja, dass wir kommen, wenn ein akustisches Problem entstanden ist. Die Menschen im Büro sind oft entnervt von der Lautstärke im Raum und anfänglich häufig skeptisch. Nachdem wir die Lösung eingebaut haben, ernten wir regelmäßig Lob – und das macht zufrieden.

Auch die Produktentwicklung macht viel Spaß. Immer das Ohr am Markt und ein offenes Ohr beim Kunden – das löst kreative Prozesse aus und führt zu neuen Ideen. So stellen wir ab April unser neues Produkt „BaseLine-Light“ vor. Das kann im Package gekauft und von jedem selbst montiert werden. Wir können am Telefon eine Lösung besprechen und der Kunde baut sie sich ohne größeren Arbeitsaufwand ein.

Akustikdämmsegel SoftLine S von Silentrooms

CP: Mit welchem Material arbeiten Sie persönlich am liebsten?

Oliver Scherdel: Ich liebe das Produkt „SoftLine“. Es ersetzt die herkömmliche Mineralwolle und besteht aus einem Glas. Leider sind wir noch zu klein, um es flächendeckend als Dämmauflage auf den gelochten Trockenbaudecken einzusetzen, denn es ist im Quadratmeterpreis teurer. Aber: es ist hundertprozentig der richtige Ersatz für Mineralwolle. Keine Deponie, einfaches Recycling, frei von Chemie und Verbundstoffen. So kann nachhaltig gebaut werden.

Überlegen Sie mal, welche Mengen an Steinwolle jedes Jahr ausgebaut, entsorgt und deponiert werden. Das wird alles vergraben. Es gibt Vertreter der Mineralwolle produzierenden Industrie, die sagen, es wird eines Tages ein Recycling dafür geben. Ich frage mich nur, wer dann die riesigen Mengen wieder ausgräbt und säubert – weltweit.

Kein Wunder, dass die Schüler heute auf die Straße gehen und demonstrieren. Wir hinterlassen ihnen unlösbare Probleme. Ich kann die Freitagsdemos nur ermutigen weiterzumachen. Mit angepasstem Lebensinhalt hat sich in der Welt noch nie etwas verändern lassen. Indem sie sich Gehör verschaffen, geben sie der Erwachsenenwelt nötige Denkanstöße, damit die ökologische Verantwortung höher priorisiert wird.

CP: Gibt es etwas, das Sie an der Arbeitswelt von heute besonders stört?

Oliver Scherdel: Mich stört diese Überschriften-Mentaliät. Nur wenige gehen noch in die Tiefe. Fundiertes Wissen wird durch Fake News ersetzt. Das liegt sicher an der Informationsüberflutung der Menschen. Das Smartphone regiert die Arbeitswelt sowie die Freizeit, Regeneration findet im Alltag kaum noch statt. Bewusstes Essen in der Pause sehe ich fast gar nicht mehr, stattdessen wird das Essen fotografiert und gepostet. Der Mensch treibt Raubbau an seinem Körper und an der Umwelt.

CP: Haben Sie einen besonderen Tipp für unsere Leser, was entspanntes, stressfreies Arbeiten betrifft?

Oliver Scherdel: Machen Sie die Dinge bewusst. Atmen Sie zwischendurch mehrmals tief ein und aus. Holen Sie sich vor schwierigen Situationen wie Gesprächen ein Entspannungsbild vor Augen – den letzten Urlaubsort, eine schöne Wanderung, ein Naturerlebnis, das Kuscheln mit dem Partner oder Kind – und genießen Sie den Anblick. Das entspannt und gibt Kraft für herausfordernde Aufgaben. Wenn alle etwas entspannter wären und sich jeder in seiner Wichtigkeit etwas zurücknehmen könnte, wäre die Welt insgesamt ruhiger. Und das fängt bei jedem selbst an …

CP: Wie sieht Ihr eigenes Büro aus? Ein wohl geordneter Hort der Stille?

Oliver Scherdel: Ich lebe und arbeite in einem 300 Jahre alten Bauernhaus. Mein Büro ist das alte Gesellenhaus und ich genieße die Vorstellung, dass die Menschen nach harter körperlicher Arbeit auf dem Acker zum Ausruhen hierher gekommen sind. Dennoch – im Vertrieb ist ein Ort der Stille selten, zumal ich viel unterwegs bin und sehr viel Zeit auf der Straße verbringe.

Wandbilder der Serie SilentArt

CP: Ihre Produkte erlauben nicht nur die zum jeweiligen Corporate Design passende Abstimmung, sie sind ebenfalls als inspirierende Träger von Kunstwerken beziehungsweise Drucken verfügbar. Durch welche Kunstwerke lassen Sie sich beim Designen neuer Produkte inspirieren?

Oliver Scherdel: Alte traditionelle Motive aus dem Fundus der Museen der Welt, interessante Fotos, die erst auf den zweiten Blick etwas mit Akustik zu tun haben oder angenehme Emotionen wecken, das ist es, was mir gefällt. Nicht das Plakative – das Feine finde ich interessant und ansprechend.

CP: Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in den nächsten zwei bis drei Jahren? Sind Kooperationen geplant oder neue, innovative Produkte?

Oliver Scherdel: Der Wettbewerb ist in den letzten drei Jahren stark gestiegen. Viele Hersteller meinen, sie müssten auch noch einen Schallabsorber produzieren, den die Welt dringend braucht. Fast allen ist gemein, dass sie keine raumakustische Beratung leisten. Ich gehe jedoch davon aus, dass sich in den nächsten fünf Jahren die Spreu vom Weizen trennen wird, weil Käufer den Wert kompetenter Beratung erkennen.

Zurzeit sind zwei gemeinsame Projekte mit Unternehmen geplant, die branchenverwandt unterwegs sind. Stillstand bedeutet Rückschritt, daher sind wir zur Weiterentwicklung verdammt. Die konsumorientierte Gesellschaft erwartet immer neue Geschichten und Produkte. Ich verspreche Ihnen, wir behalten bei den Neuentwicklungen unsere ökologische Ausrichtung im Auge.

CP: Herr Scherdel, wir danken Ihnen für spannende Einblicke und klare Worte.

Weitere Informationen:
SILENTROOMS GMBH+CO. KG
www.silentrooms.de

 
Anzeige