Die Ankündigung von ID Genève lässt aufhorchen. Gemeinsam mit Notpla will man eine selbstkompostierende Verpackung für Armbanduhren einführen. Foto: © ID Genève

Uhren, die sich selbsttätig aufziehen, kennt man. Das ist nichts Besonderes. Bereits in den 1920er-Jahren gab es die ersten serienreifen Exemplare. Die Ankündigung einer selbstkompostierenden Verpackung für Armbanduhren lässt hingegen aufhorchen. Die Uhrenmarke ID Genève plant, eine solche für ihr Modell „Circular S“ einzuführen. Unterstützung erhält sie bei dem Vorhaben durch das britische Unternehmen Notpla. Der Name – er steht für „Not Plastic“ – verrät, was die Mission respektive Vision des Verpackungsspezialisten ist: eine Welt ohne Plastikverpackungen. Im doppelten Wortsinn hat man etwas dagegen. Mithilfe von Schachteln, Boxen, Tüten oder Hüllen, die sich quasi selbst beseitigen, ließe sich eines Tages eines der größten Umweltprobleme lösen.

Wir haben Fragen

Die erste Frage, die sich uns in Bezug auf das schweizerisch-britische Projekt stellt, ist die nach der Eignung des verwendeten Materials. Gibt es einen Zielkonflikt zwischen dem Schutz des Verpackungsinhalts und der geplanten Selbstentsorgung? Und noch eine weitere Frage drängt sich auf: Dient die Verpackung als Feigenblatt oder passt der Inhalt in diesem konkreten Beispiel dazu?

Gehen wir nacheinander darauf ein und beginnen mit dem aus dem Meer stammenden veganen Rohstoff. Algen liefern ihn. Seetang, um genau zu sein. Und zwar in großen Mengen und innerhalb kürzester Zeit. Noch dazu ist die großtechnische Produktion darstellbar, ohne in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion treten zu müssen. Die gewonnenen Fasern lassen sich gut in Form – also etwa zu Uhrenboxen – pressen. Werden diese nicht mehr benötigt, kann man sie im Freien zerfallen lassen. Was daraus entsteht, taugt als Dünger.

Circular Swiss Made

Kommen wir zum Verpackungsinhalt und somit zu den Alleinstellungsmerkmalen von ID Genève. Die erst 2020 gegründete Marke zeichnet aus, dass sie ihre Uhrengehäuse aus zu 100 Prozent recyceltem Stahl schmiedet und darin gründlich überholte gebrauchte Uhrwerke einschalt. „Circular Swiss Made“ nennt man das. Wer sich nur ein wenig mit tickender Mechanik auskennt, weiß: Man muss sich keine Sorgen machen, dass die Nachhaltigkeit hier mit schlechterer Zuverlässigkeit oder Präzision erkauft wird. Solide Schweizer Kaliber halten, sofern sie ab und an gewartet werden, ein Leben lang – und noch viel länger.

Seetang soll künftig den Rohstoff für die Uhrenboxen von ID Genève liefern.

Interessant am Ansatz von ID Genève ist außerdem die Offenlegung der Wertschöpfungskette. „Swiss Made“ relativiert sich angesichts des geringen Anteils an zwischen Bodensee und Genfer See produzierten Komponenten, der für die legale Verwendung der Herkunftsbezeichnung ausreicht. Wir kamen hierauf zuvor im Zusammenhang mit CODE41 zu sprechen – einer weiteren jungen Uhrenmarke aus der Schweiz. Der Nachhaltigkeit ist das nicht unbedingt abträglich. Wobei Transportwege natürlich eine wichtige Rolle spielen. Einen relativ kurzen Weg bis in die Schweiz legen beispielsweise die Armbänder von ID Genève zurück. Sie werden in Italien aus Weintraubentrester hergestellt, einem Rückstand aus der Weinproduktion.

Fazit

Ohne die neuen Verpackungen in Händen gehalten zu haben, können wir uns vorstellen – und hoffen gemeinsam mit Nicolas Freudiger, dem Co-Founder von ID Genève –, dass die Idee Schule macht. Uns sind Verpackungen von anderen eidgenössischen Uhrenmarken aus dem gehobenen Segment bekannt, deren Kunststoffmaterial sich nach Jahren ebenfalls selbst auflöst. Das führt jedoch nicht zu einer Entlastung der Umwelt, sondern sorgt für einen hässlichen Anblick, ein Imageproblem für die jeweilige Marke und ein Entsorgungsproblem.

Kann oder will man die eigenen Produkte nicht in Verpackungen ausliefern, die wie Holzschatulle oder Lederetui praktisch für die Ewigkeit gemacht sind und in Würde altern, sollte man – wie in diesem Fall – wenigstens eine Alternative wählen, die sich am Ende selbst beseitigt. Beziehungsweise – um naturwissenschaftlich korrekt zu argumentieren – stofflich sinnvoll umgewandelt wird. Was davon abgesehen bleibt, ist ein gutes Gewissen.

Weitere Informationen:
ID Watch SA
www.idwatch.ch

Bildhinweis:
Für alle Fotos gilt: © ID Genève

 
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