Der Leibniz-Keks ist die Ikone unter den Kleingebäcken und eine Lösung für ein Problem, mit dem sich bereits Gottfried Wilhelm Leibniz beschäftigt hat. Unser Titelbild zeigt die 1910 geschaffenen Brezelmännner mit dem „goldenen Keks“, welche die Bahlsen-Firmenzentrale in Hannover zieren.

Wer käme wohl auf die Idee, Essbares in einem Journal für Design zu präsentieren, noch dazu innerhalb einer Rubrik namens „Design für die Ewigkeit“? Genau! Wir haben uns in gewisser Weise selbst überrascht. Dabei ist es in mehrfacher Hinsicht evident, dass dem Leibniz-Keks diese Kanonisierung uneingeschränkt gebührt. Als der Ikone unter den Kleingebäcken sowieso – und zusätzlich deshalb, weil Hermann Bahlsen mit seinem Butterkeks eine moderne und köstliche Lösung für ein Problem lieferte, mit dem sich Gottfried Wilhelm Leibniz bereits rund zweihundert Jahre vor ihm beschäftigt hatte. Es ging darum, etwas zu finden, das unterwegs sättigt und zugleich extrem haltbar ist.

Für den Leibniz-Keks aufs richtige Pferd gesetzt

Es lag somit nahe, 1891 die clevere und wohlschmeckende Erfindung nach dem Universalgenie zu benennen, zumal Leibniz wie Bahlsen viele Jahre lang in Hannover gewirkt hat. Neben dem Markennamen verlangte das beginnende Zeitalter der Markenprodukte und des Marketings außerdem nach einem griffigen Slogan, um die Alleinstellungsmerkmale bemerkbar und leicht merkbar zu machen. Also wurde ab 1898 gereimt: „Was ißt die Menschheit unterwegs? Na selbstverständlich Leibniz Cakes!“ Die Herkunft des Wortes „Keks“ aus dem Englischen ist hier klar erkennbar.

Des Weiteren bedurfte es eines wiedererkennbaren Signets für den Leibniz-Keks. Die Wahl fiel 1896 – gemäß der Heraldik des ehemaligen Königreichs Hannover (ab 1866 preußische Provinz) – auf ein springendes Pferd. 1903 wurde es durch das von Heinrich Mittag gestaltete „TET-Logo“ abgelöst. Hierbei hat man ganz offensichtlich auf das richtige Pferd gesetzt. Schließlich handelt es sich um die Transkription einer ägyptischen Hieroglyphe, die „ewig dauernd“ bedeutet. Dadurch wird sehr viel spezifischer auf die Produkteigenschaften Bezug genommen.

Gut gefülltes Schaufenster mit einer Auswahl früher Bahlsen-Produkte, links gut zu erkennen: das „TET-Logo“. © Bahlsen

Einfach zum Anbeißen

Natürlich kann das beste Branding wenig ausrichten, wenn das zugehörige Produkt enttäuscht. Davon kann beim Leibniz-Keks keine Rede sein. Kaum vorstellbar, dass der knusprige Klassiker der Menschheit irgendwann auf den Keks gehen könnte. Mit seinen 52 Zähnen lädt er unverändert zum Anbeißen ein. Die geschmeidige und appetitliche Form macht den Leibniz-Keks nicht bloß nett anzuschauen, sie fühlt sich auch im Mund angenehm an.

Seit seinen Anfängen lebt Marketing von der Dramatisierung kleinster Unterschiede. Um den Leibniz-Butterkeks als Original auszuweisen wird bis heute auf seine 52 Zähne hingewiesen. Der entsprechende Slogan („Nur echt mit 52 Zähnen“) trifft allerdings nicht mehr ausnahmslos auf jeden Leibniz-Keks zu. Neuere Spezialsorten wie zum Beispiel der Vollkorn-Leibniz-Keks besitzen aufgrund einer abweichenden Teig-Konsistenz weniger Zähne – ohne dass es ihnen hierdurch an Biss fehlt. Warum aber entschied sich der Erfinder des Leibniz-Kekses ausgerechnet für 52 Zähne, wo doch die Zahl 42 die Antwort auf alle Fragen ist (zumindest in der Romanwelt von Douglas Adams)? Der Überlieferung nach ist das reiner Zufall; Hermann Bahlsen gefiel die Form so am besten.

Der Leibniz-Keks und die beste aller möglichen Welten

Apropos am besten: Leibniz nahm bekanntermaßen an, wir lebten in der besten aller möglichen Welten, freilich ohne deswegen Missstände zu negieren. Er hatte vielmehr das großartige Potenzial zur Weiterentwicklung und Verbesserung vor Augen. Welch moderner Gedanke! Gegenwärtig wird mehr und mehr begriffen, dass jeder etwa mithilfe von bewussten Konsumentscheidungen die Welt ein Stück weit verbessern und der unsäglichen Vernichtung unserer Lebensgrundlagen Einhalt gebieten kann.

Seinerzeit noch dominiert von Handarbeit: Leibniz Bäckerei 1929. © Bahlsen

Bei Bahlsen hat man sich zuletzt beispielsweise mit einem neu entwickelten Tray aus Papier – zunächst eingesetzt für eine gluten- und laktosefreie Butterkeks-Sorte – um die Verringerung des Plastikmülls gekümmert. Wir meinen, dass der Leibniz-Keks als wahrscheinlich bestes aller möglichen Kleingebäcke verdient, dass man seinen ökologischen Fußabdruck sehr schnell mindestens auf die Größe eines Kekskrümels reduziert, so dass er sich noch lange unbeschwert genießen lässt.

Weitere Informationen:
BAHLSEN GmbH & Co. KG
www.bahlsen.com/de/

Bildhinweis:
Unser Titelbild (© Bahlsen) zeigt die 1910 vom Bildhauer Georg Herting geschaffenen Brezelmännner mit dem circa 20 Kilogramm schweren „goldenen Keks“. Sie zieren die Bahlsen-Firmenzentrale in Hannover.

 
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