Dem Gefühl nach sollte die Ökobilanz von Mehrweglösungen für Kaffeesahne viel besser ausfallen als die von Einwegportionen. Doch das täuscht. Unser Titelbild zeigt Einzelverpackungen mit Recycling-Anteil und Deckel aus PET statt Aluminium. © frischli Milchwerke

Der deutsche Erdüberlastungstag (Earth Overshoot Day) erinnerte eben erst wieder daran, dass unser Ressourcenverbrauch das verträgliche Maß übersteigt. Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), nahm die ernüchternde Ökobilanz zum Anlass für eine Wortmeldung: „Ein Land, das so viele Ressourcen verbraucht wie wir, wirtschaftet schlecht und rücksichtslos.“ Bandt forderte außerdem eine Ressourcenwende und ein wirksames Ressourcenschutzgesetz.

Einwegportion versus Kännchen

Lassen wir die Grundsatzfrage einmal beiseite, ob immer mehr staatliche Vorschriften wirklich die beste Lösung sind. Das zuvor Gesagte vorweggeschickt habend, werden die meisten jetzt sicher annehmen, dass beispielsweise Mehrweglösungen für Kaffeemilch im Gaststätten- und Tourismusgewerbe aus ökologischer Sicht Portionsverpackungen stets vorzuziehen sind. Stimmt das aber wirklich?

Die frischli Milchwerke GmbH aus Niedersachsen wollte es ganz genau wissen und beauftragte das Oberhausener Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT mit einer entsprechenden Ökobilanzierung. Hierbei wurden Vor- und Nachteile von Mehrweglösungen im Vergleich zu Einzelverpackungen für Cafés, Restaurants oder im Reiseverkehr untersucht. Was dabei herauskam, dürfte viele Menschen überraschen.

Ökobilanz muss Lebensmittelverlust einbeziehen

Geht es allein um die Frage der Verpackung beziehungsweise Darreichung im Gastgewerbe, so leuchtet ein, dass Einzelverpackungen gegenüber Alternativen wie Keramikkännchen oder Thermoskannen große ökologische Nachteile mit sich bringen. Anders als die Mehrweglösungen erzeugen sie große Mengen an Abfall aus Polystyrol und Aluminium. In der Regel landet all das in der Müllverbrennung.

Übersehen wird bei oberflächlicher Betrachtung allerdings der Aspekt des Lebensmittelverlustes. Der ergibt sich fast zwangsläufig aus den Hygienevorschriften bei Mehrwegsystemen. Als leicht verderbliches Produkt ist nicht verbrauchte Kaffeemilch zu entsorgen, sobald sie der Kundschaft einmal in einem Kännchen oder einem vergleichbaren Behältnis angeboten worden ist. Hinsichtlich einer realistischen Ökobilanz muss diese Quasiverschwendung Berücksichtigung finden.

Theoretisch ein klarer Sieg für Mehrweg

Das Fraunhofer UMSICHT klärte demgemäß, ab welchem Wert CO2-Emissionen durch Lebensmittelverluste die zusätzlichen CO2-Emissionen durch kleine Einzelverpackungen überwiegen. Man betrachtete dazu Porzellankännchen mit 100 Milliliter und Edelstahl-Thermoskannen mit 0,5 Liter Füllvolumen als gängige Mehrweg-Alternativen. Zudem ging man für das Mehrwegsystem davon aus, dass die Milch in Getränkekartons (Tetra Pak) mit jeweils einem Liter Inhalt zu den Verkaufsstellen transportiert wird.

Für die Untersuchung wurden innovative Einzelverpackungsdesigns einbezogen, bei denen der Aluminiumdeckel und das Polystyrol durch Polypropylen oder recycelbares recyceltes Polystyrol ersetzt wird. Die Ökobilanz ohne das Einbeziehen von Lebensmittelverlusten: Mehrwegsysteme verursachen im Vergleich zu sämtlichen Einzelverpackungen weniger Treibhausgase.

Wo liegt der Break-Even-Punkt?

Um der Relevanz der Lebensmittelverluste Rechnung zu tragen, wurde von dem Forscherteam ein Break-Even-Punkt berechnet. Dieser gibt an, wie viel Prozent Milch bei den Mehrwegalternativen weggeschüttet werden kann, bis der CO2-Fußabdruck dem von Einzelverpackungen entspricht. Die tatsächliche, von der Art der Verpackung abhängige Spanne liegt zwischen 3 und 27 Prozent. Der unterste Wert gilt für die Variante aus Polypropylen.

UMSICHT-Wissenschaftler Dr. Daniel Maga kommentiert die Studie wie folgt: „Das Ergebnis zeigt, dass je nach Verpackungstyp bereits schon bei geringen Lebensmittelverlusten die Einzelverpackungsvariante die Lösung mit dem geringsten CO2-Fußabdruck sein kann. Auch wenn Umweltwirkungen durch Verpackungen soweit wie möglich reduziert werden sollten, sollte immer der Trade-off mit Lebensmittelverlusten berücksichtigt werden. Umweltfreundliche Verpackungsdesigns, durch zum Beispiel optimierte Materialauswahl, können je nach Anwendungsfall eine klimafreundliche Alternative zu Mehrwegsystemen sein.“

Weitere Informationen:
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT
www.umsicht.fraunhofer.de

Bildhinweis:
© frischli Milchwerke

 
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