Es gibt Formen, die man nicht verbessern kann. Zum Beispiel das Ei, dessen Faszination sich als roter Faden durch die Kultur- und Designgeschichte zieht.

Ab ovo: Wie vom römischen Dichter Horaz beschrieben, hat alles auf das Ei zu folgen. Gegebenenfalls also auch die Henne, sofern man bei der Ernährung nicht auf tierische Produkte verzichtet. In der Kulinarik kann das Henne-Ei-Problem somit als gelöst betrachtet werden. Komplizierter hingegen ist die Situation im Bereich Design, wo die Reihenfolge durchaus variiert.

Klassisch war die Reihenfolge beim 1948 erstmals präsentierten Citroën 2CV. Vor dem Vogel – in diesem Fall ist es eine „Ente“ – kam der Legende nach ein Korb mit Eiern. Einen solchen verlustfrei auf holprigen Feldwegen zu transportieren, soll eine Forderung an die Konstrukteure gewesen sein. Immerhin hatte Citroën als wichtige Zielgruppe zunächst die damals noch oft von Pferdekarren abhängigen französischen Landwirte im Blick.

Hedonistischer Konsum

Über den sicheren Transport und die Lagerung von (Hühner-)Eiern wurde mindestens ebenso viel nachgedacht wie über Möglichkeiten, diese magische Form für das Design und Marketing nutzbar zu machen. Erfolgreich war in diesem Sinne das US-Textilunternehmen Hanes, das ab 1969 Strumpfhosen aus den Fachgeschäften heraus und hinein in die Supermärkte brachte. Kunststoffeier bildeten die auffällige, perfekt zum Wortspiel des Markennamens „L´eggs“ passende Verpackung.

Während die Plastikverpackung zwischenzeitlich wegfiel, bleibt das Problem der nicht verrottenden Synthetikfasern bestehen. Derlei industrielle Müllproduktion folgt quasi bis heute dem in Aldous Huxleys „Brave New World“ propagierten Ideal eines radikal hedonistischen Konsums, den an Werbeslogans erinnernde Merksprüche wie „The less stitches, the more riches“ befördern sollen.

Wirtschaftswunder

Ausgerechnet von Konrad Adenauer stammt eine Erfindung, die in Huxleys Roman wohl den Tatbestand der subversiven Eigeninitiative erfüllt hätte. Sein von innen beleuchtetes Stopfei zum Ausbessern von Strümpfen – in Form und Größe einem Hühnerei entsprechend – ist Ausdruck einer Zeit, in der man Ressourcen wertschätzte, weil es keine andere Wahl gab. Das in seine Zeit als Bundeskanzler fallende Wirtschaftswunder ließ die Erfindung jedoch bald obsolet werden.

Sinnbildlich wie kaum ein anderes Produkt steht der VW Käfer für die Wirtschaftswunderjahre. Seine runde Form ist einem Hühnerei hinreichend ähnlich, so dass die Idee, diese für Werbeanzeigen auf ein Ei zu zeichnen, eigentlich naheliegend war. 1962 schuf die Werbeagentur DDB hiermit ein absolutes Highlight der Werbegeschichte und reihte sich gleichzeitig in die jahrtausendealte Tradition des Gestaltens, Bemalens und Färbens der Eierschale ein.

Stapel- und Stangenei

Doch nicht nur das Dekorieren von Eiern übt einen unwiderstehlichen Reiz aus, sondern ebenso das Experimentieren mit der Form selbst. So enthielt beispielsweise die vornehmlich aufgrund ihrer Spielzeugbeilagen zum Kult avancierte Zeitschrift „Yps“ mehr als einmal eine Vorrichtung, die das Pressen geschälter Eier in eine eckige, stapelbare Form möglich werden ließ – gewissermaßen ein zu Ende gedachtes Ei des Kolumbus.

In der Lebensmittelindustrie hat man aus Gründen der Produktivitäts- und Umsatzsteigerung die natürliche Eiform teilweise längst hinter sich gelassen. Nicht immer frei von Zusatzstoffen entsteht etwa in Rohren von bis zu einem Meter Länge eine optisch dem Vorbild eines in der Mitte aufgeschnittenen gekochten Eis entsprechende, aber deutlich kostengünstigere Alternative: das Stangenei.

Fazit

Ob von der Stange oder in hergebrachter Weise – Eier faszinieren seit jeher und inspirieren gleichsam zu den unterschiedlichsten kulturellen Leistungen. Fraglos wird das in Zukunft so bleiben, wird man sich im Design und anderen Disziplinen weiterhin mit dieser Urform beschäftigen, die in manchen Kulturen gar den Ursprung des Lebens beziehungsweise des gesamten Universums symbolisiert. Es stimmt, was seinerzeit in der besagten VW-Käfer-Werbung unter dem bemalten Ei geschrieben stand: „Es gibt Formen, die man nicht verbessern kann.“

In diesem Sinne wünscht die Redaktion Ihnen frohe und gesunde Ostertage!

 
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