Es tut sich was in Sachen Glas: Forschende aus Dresden arbeiten an metallfreien, elektrisch leitfähigen Gläsern und solchen, die heizen, antibakteriell wirken und nachleuchtend sind.

Glasklar: Auf das Konto des seit mindestens dreieinhalb Jahrtausenden gebräuchlichen Werkstoffs Glas geht viel von dem, was der Menschheit Fortschritt und Erkenntnisgewinn gebracht hat. Allen voran stellten geschliffene Glaslinsen in Teleskop und Mikroskop ab dem 17. Jahrhundert das bis dato vorherrschende Weltbild auf den Kopf. Die Nachwirkungen sind bis heute auch bei der Herstellung von Glas selbst zu spüren, die fortlaufend neue Impulse erhält. So arbeiten zum Beispiel Forschungsteams vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden an Verfahren, die funktionalisierte und präzisionsgeformte Gläser ermöglich, die früher entweder überhaupt nicht oder ausschließlich mittels aufwendiger und teilweise umweltschädlicher Nachbearbeitung realisierbar waren. Metallfreie Gläser, die über elektrische Leitfähigkeit verfügen, die heizen, antibakteriell wirken und nachleuchtend sind, dürften künftig ungeahnte Einsatzfelder eröffnen – in Luftfahrt und Fahrzeugbau, Sicherheitstechnik und vielen weiteren Bereichen.

Glas nach Maß mit innovativen Eigenschaften

Grundlage für die innovativen Eigenschaften von Glas ist die Adaption von Methoden aus der Herstellung von Keramiken und Kunststoffen. Beispielsweise haben die Dresdener Forscher zu einem Glaspulver Graphit hinzugefügt und aus dem Gemisch einen sogenannten Feedstock erzeugt. Dieser wird in ein Formwerkzeug eingespritzt, mit dessen Hilfe sich zielgerichtet bestimmte Geometrien und Mikrostrukturen erzielen lassen. Dazu zählen exakte scharfkantige Formen, wie sie in der Labortechnik erforderlich sind. Bislang konnte man diese nur durch Nachschleifen oder Ätzen mit umweltschädlichen Chemikalien darstellen.

Durch die Kombination von Glaspulver und Graphit können elektrisch leitfähige und selbstheizende Mikroreaktoren oder Tiegel für die Chemie- und Pharmaindustrie realisiert werden. Ganz rechts im Bild: Beispiel für ein mit den neuen Verfahren hergestelltes nachleuchtendes Glas. Es eignet sich unter anderem für Sicherheitsanwendungen. © Fraunhofer IKTS

Die neuen Verfahren erlauben ebenfalls die Herstellung elektrisch leitfähiger und selbstheizender Glas-Mikroreaktoren für die Chemie- und Pharmaindustrie. Wird das Glaspulver mit Farbpigmenten oder phosphoreszierenden Partikeln kombiniert, kann man daraus unter anderem nachleuchtende Glasbauteile produzieren, die in dunkler Umgebung nach einem Stromausfall Fluchtwege markieren oder die Zeiger von Uhren sowie Fahrzeug- und Flugzeugcockpits leuchten lassen. Sogar die Schmuckherstellung ist ein mögliches Anwendungsfeld.

Glas als nachhaltiger Ersatz für Plastik

Nach Ansicht der Forschenden des IKTS hat Glas, das sich beliebig formen und mit Zusatzeigenschaften ausstatten lässt, das Potenzial, zum nachhaltigen Ersatz für die im Alltag massenhaft eingesetzten kleinen und größeren Kunststoffteile zu werden. Bedienelemente im öffentlichen Raum, in Fahrstühlen und Verkehrsmitteln etwa. Ebenso Griffe für Möbel an Orten, wo Hygiene besonders wichtig ist. „Glas ist zwar immer noch etwas teurer als Kunststoff“, räumt IKTS-Gruppenleiter Dr. Jochen Schilm ein. „Dafür ist es aber beständiger und hygienischer. Glas versprödet und zerkratzt nicht so leicht, auch hält es besser chemischen Einflüssen und UV-Strahlung stand.“ Hinzu kommen die im Design wichtigen Aspekte der Optik und Haptik: „Glas sieht einfach wertiger aus und fühlt sich besser an“, so Schilm weiter.

Ein angenehmer Nebeneffekt der neuen Ansätze des IKTS für die Glasformung: In vielen Fällen kann der Energie- und Ressourcenverbrauch gesenkt und die Herstellung von Glasbauteilen beschleunigt werden. „Daraus ergeben sich neue Perspektiven für diesen Werkstoff“, betont IKTS-Abteilungsleiter Dr. Tassilo Moritz.

Weitere Informationen:
Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS)
www.ikts.fraunhofer.de

 
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