Diesmal gibt es bei unserem Designer-Fragebogen eine kleine Besonderheit. Gleich zwei gestandene Profis haben die Fragen parallel und exklusiv für COLD PERFECTION beantwortet: Amanda O’Grady und Jake Fouts, beide beschäftigt bei Lovevery. Amanda O’Grady ist Senior Director Product Innovation, Jake Fouts Director Product Engineering bei dem US-Unternehmen.
Lovevery hat sich auf sogenannte „Play Kits“ spezialisiert. Das sind speziell abgestimmte, im Abonnement angebotene Kinderspielzeug-Sets, die wissenschaftlich fundiert die kognitiven und motorischen Fähigkeiten in jeder spezifischen Entwicklungsstufe trainieren. Anders als viele Konkurrenzprodukte zielen die Spielzeuge von Lovevery nicht darauf ab, einen kurzen Moment lang (bis der Kauf getätigt wurde) zu beeindrucken, um anschließend in irgendeiner Ecke zu landen. Vielmehr sind die Produkte durch ein erfahrenes Expertenteam verschiedenster Disziplinen so konzipiert worden, dass sie Kinder über lange Zeit fesseln und vor allen Dingen fördern.
In einer Zeit, in der ein zunehmender Teil der Heranwachsenden vor Telefonbildschirmen verwahrlost, was geistige und körperliche Potenziale verkümmern lässt, ist der Ansatz von Lovevery, Spielzeuge auch als Bausteine für eine bessere Gesellschaft zu betrachten, mehr als lobenswert. Er verdient unserer Meinung nach den allergrößten Erfolg.
Wie definieren Sie gutes beziehungsweise schlechtes Design?
Jake Fouts: Aus der Design- und Fertigungsperspektive heraus betrachtet, ist qualitätsvolles Design dasjenige, welches die Erwartungen der Eltern übertrifft und den Kindern auf vergnügliche Weise hilft, zu lernen und an ihm zu wachsen. Es ist die ideale Balance von Form und Funktion in einer Preislage, die es für unsere Zielgruppen zugänglich werden lässt. Am Anfang meiner Karriere wurde ich von einem erfahreneren Designer dafür gescholten, von einem Kompromiss zu sprechen. Er verbesserte mich und erklärte, dass es stattdessen um eine „Heirat“ ginge. Diese Vorstellung schwang mit, bis ich selbst heiratete und merkte, dass eine glückliche Ehe tatsächlich von Kompromissen lebt. Die Wahrheit ist, dass das richtige Verhältnis von Form, Funktion und Kosten nicht für alle Produkte dasselbe ist und Kompromisse erforderlich werden. Wenn es allerdings gelingt, dass man das dem fertigen Produkt nicht anmerkt, hat man es wohl mit einer geglückten „Hochzeit“ der drei Parameter zu tun.
Amanda O’Grady: Qualitätsdesign ist oftmals der leichteste Weg, Designziele zu erreichen. Das Lustige ist, dass Einfachheit unglaublich schwer zu erzielen ist. Etwas, das gut designt ist, wirkt häufig klar und intuitiv, fügt sich nahtlos in den Alltag ein und wirft die Frage auf, wieso es nicht schon früher existiert hat. Schönheit ist mit Sicherheit ein weiterer wichtiger Aspekt. Das beste Design glänzt bei Ästhetik und Funktion.
Was unterscheidet Ihre Entwürfe beziehungsweise Produkte von denen anderer Designer?
Jake Fouts: Ich möchte an dieser Stelle unserem Produktentwicklungsteam danken. Von seinen Erfahrungen und Erkenntnissen profitieren unsere Designer und Ingenieure und wir erhalten die Gelegenheit, unsere Ideen laufend und in jeder Phase des Entwicklungsprozesses mit Eltern, Kindern und Fachleuten zu testen. Die Details selbst sind harte Arbeit. Viele Produkte auf dem Markt wirken für Erwachsene optisch attraktiv, sind jedoch für Kinder weniger interessant und vice versa. Wir verlangen, dass beides gegeben ist, stellen das mit unseren Fachleuten sicher und ändern das Design schrittweise so lange, bis wir am Ziel sind.
Amanda O’Grady: Ich glaube, dass diese Frage eigentlich nur von unserer Kundschaft beantwortet werden kann. Unser Streben nach dem optimalen Ergebnis schafft einen Einklang aus den drei Design-Prinzipien: Wissenschaftlich fundiert, von Eltern geschätzt und von Kindern geliebt. Die Wissenschaft der Kindesentwicklung steht im Zentrum unseres Abo-Modells, aber die Fertigkeiten werden nur trainiert, wenn Eltern die Produkte annehmen und Kinder Lust bekommen, sich immer und immer wieder mit ihnen zu beschäftigen.
Wovon lassen Sie sich inspirieren?
Jake Fouts: Im Kern stammt unsere Inspiration aus der Beobachtung von Kindern und Eltern beim Spielen. Dabei stellen wir uns die Frage, warum sie so und nicht anders auf verschiedene Objekte, Ideen und Philosophien reagieren. Die Neurowissenschaft lehrt uns, dass Kinder weit mehr Einbildungskraft besitzen als Erwachsene, und meiner Erfahrung nach sind Kinder gemeinhin die ideale Inspirationsquelle. Ich persönlich hatte viele meiner Einfälle während ich meine eigenen Töchter beim Spielen beobachtete und zuhörte, welche Geschichten sie sich währenddessen ausdachten.
Amanda O’Grady: Ganz klar von unseren Kunden. Ich verwende einen großen Teil meiner Arbeitszeit darauf, mich mit Erwachsenen – mit und ohne Abonnement – und Kindern zu unterhalten. Ihre Ideen inspirieren mich jedes Mal und ihre Geschichten motivieren mich.
Welchen Aspekt Ihrer Arbeit schätzen Sie am meisten?
Jake Fouts: Ich schätze die Möglichkeit, mit einem Weltklasse-Team zu arbeiten und Spielzeuge zu entwickeln, die Familien stärken und Grundlagen schaffen für künftige Generationen. Es ist zudem ungeheuer befriedigend anzusehen, wie begeisterte Kinder und Eltern mit Produkten interagieren, an deren Entwicklung man persönlich beteiligt war. Das sorgt am Ende für das Gefühl, dass sich die Mühen gelohnt haben.
Amanda O’Grady: Dass ich mich mit ganzem Herzen einbringen kann. Ich habe drei Kinder. Eines davon erhält das Abo und eines weist signifikante Entwicklungsverzögerungen auf. Daher empfinde ich eine tiefe persönliche Verbundenheit mit unserer Arbeit. Ich bin dankbar dafür, dass ich eine Aufgabe fand, bei der meine berufliche und persönliche Leidenschaft zusammenwirken. Was die Sache noch angenehmer macht: Ich kann mit einem Team zusammenarbeiten, das aus gleichermaßen engagierten und talentierten Menschen besteht.
Mit welchen Materialien arbeiten Sie am liebsten?
Jake Fouts: Mit allen, die neu sind. Vor Lovevery besaß ich nicht sehr viel Erfahrung mit Holzbearbeitung, deshalb war das für mich neu. Aufgrund seiner organischen Beschaffenheit kann es ingenieurtechnisch gesehen ein kompliziert zu handhabender Werkstoff sein, aber wir wussten, dass unsere Kundschaft es sich wünschte und ich wiederum liebte die Herausforderung, Kniffe und Techniken zu erlernen, um daraus zu produzieren. In der letzten Zeit haben unsere Anstrengungen in Sachen Nachhaltigkeit dazu geführt, dass wir uns mit neuen Materialien wie Biokunststoffen befassen, die in der Industrie bislang nicht so verbreitet und erprobt sind. Für einen Ingenieur ist es eine spannende Aufgabenstellung, die Stärken und Schwächen dieser Werkstoffe sowie neue Anwendungen zu entdecken.
Amanda O’Grady: Die Frage ist schwer zu beantworten, da sie vom Produkt abhängt, dem Alter des Kindes und den Fertigkeiten, die trainiert werden sollen. Wir schätzen natürliche Materialien wie nachhaltig gewonnenes Holz, organische Baumwolle und Filz, weil diese für Kinder sensorisch anspruchsvoller und oft langlebiger sind.
Welcher Ihrer Entwürfe ist Ihr Favorit und warum?
Jake Fouts: Nun, ich denke, das entspricht der Frage, welches seiner Kinder man am liebsten hat. Ich kann aber sagen, dass ich sehr stolz bin auf die Produkte, für die wir im Entwicklungsprozess besonders viele Hürden zu überwinden hatten und die schließlich trotzdem die Marktreife erlangten. Zurückblickend ist mir heute bewusst, dass diese Hürden unsere ganze Kreativität erforderten, um die eingangs beschriebene „Hochzeit“ von Form, Funktion und Kosten darzustellen. Ich glaube, dass uns unsere Beharrlichkeit geholfen hat, unsere Produkte vom Wettbewerb abzuheben und unser Selbstverständnis als Team zu entwickeln.
Amanda O’Grady: Meine Favoriten ändern sich immer mal wieder, wenn ich in Gesprächen mit Eltern erfahre, welche Rolle die Produkte in verschiedenen Haushalten spielen. Es ist außerdem schwierig, ein einzelnes Produkt auszuwählen, da sie als Gesamtpaket funktionieren. Die Entwicklung von Fähigkeiten über die Produktpalette hinweg ist der einzigartige Nutzen unseres Abonnements.
Was bedeutet Nachhaltigkeit für Ihr Design?
Jake Fouts: Bei all unseren Bemühungen um eine bessere Zukunft für Kinder, starke Familien und Gemeinschaften, wäre es sehr nachlässig, die ökologische und ökonomische Instabilität der heutigen Welt zu ignorieren. Nachhaltigkeit gehörte vom ersten Tag an aus Überzeugung unserer Gründer zum Kern unserer Unternehmenskultur. Als Design- und Entwicklungsteam bestehen wir darauf, ausschließlich mit namhaften, akkreditierten Lieferanten zusammenzuarbeiten. Wir suchen jeden Tag nach neuen Materialien, Herstellungsverfahren, Verpackungs– und Transportlösungen, die die Nachhaltigkeit fördern. Das erhöht in der Regel die Kosten, also überdenken wir ständig das Design, um diese nicht in Form von höheren Preisen weiterreichen zu müssen. Uns ist klar, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben. Bei der Vergrößerung unseres Teams legen wir Wert darauf, Menschen einzustellen, die unsere Prinzipien teilen und sich leidenschaftlich dafür einsetzen, dass wir bei Energieverbrauch und der Transparenz unserer Lieferketten noch besser werden.
Wenn Sie sich nicht mit Design beschäftigen würden, wären Sie …
Jake Fouts: Zu Beginn meiner Karriere hatte ich das Ziel, einen Beitrag zum Fortschritt der Luftfahrtindustrie zu leisten. Seither hat sich mein Weg denkbar verändert. Ich fand heraus, dass es für mich weitaus befriedigender ist, Lösungen für viel grundlegendere Problemstellungen zu finden. Wenn wir daran arbeiten, quasi die Bausteine unserer Gesellschaft zu verbessern, hat das meiner Ansicht nach einen weitreichenderen und dauerhafteren Effekt. Würde ich mich nicht mit Produktdesign befassen, dann vermutlich mit der Erforschung von nachhaltigeren Stoffen und Herstellungsverfahren.
Amanda O’Grady: Meine Rolle im Designprozess ist die, Menschen und ihre Bedürfnisse zu verstehen. Ich kann mir keine Welt vorstellen, in der das nicht mein Schwerpunkt wäre. Wenn ich nicht bei Lovevery beschäftigt wäre, würde ich es mir wahrscheinlich wünschen.
Gibt es ein Zukunftsprojekt, über das Sie sprechen können?
Jake Fouts: Ohne hier irgendwelche Geheimnisse unserer Produktentwickler auszuplaudern, kann ich sagen, dass wir vorhaben, neue Altersgruppen zu erschließen. Gleichzeitig haben wir Bedarfe unserer Zielgruppen jenseits von Spielzeugen identifiziert, die uns helfen werden, die förderlichste Umgebung für Kinder weltweit zu kreieren.
Amanda O’Grady: Könnten Sie das vielleicht tun? Ich bin stets neugierig zu erfahren, welche Produkte Menschen von uns gern sehen würden.
Die Antworten übersetzte Michael Graef aus dem Amerikanischen.
Weitere Informationen:
Lovevery Europe B.V.
https://eu.lovevery.com/de
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Für alle Fotos gilt: © Lovevery