Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig ist das Mondgesicht. Begleitet von diesen Worten wurde bereits Generationen von Kindern vorgemacht, wie man mit minimalem Aufwand ein lachendes Gesicht darstellt. In ganz ähnlicher Form hatte es in der Erwachsenenwelt ebenfalls schon immer seinen Platz. Als rasch skizzierte Andeutung einer Emotion unter einem Brief zum Beispiel, Jahrhunderte vor elektronischen Emoticons. Und lange vor der Idee des Journalisten Franklin Loufrani, sich ein noch minimalistischeres Gesicht unter dem Namen Smiley schützen zu lassen, das nicht einmal mehr über eine angedeutete Nase verfügte. Der Franzose selbst bewies mit seiner Entscheidung allerdings einen überaus guten Riecher, wie wir inzwischen wissen.
Ein sonnengelber Goldesel
Bei Loufranis Smiley handelte es sich um keine wirkliche Neuschöpfung. Er übernahm nahezu exakt den Entwurf eines US-Werbegrafikers namens Harvey Ball. 1963 hatte dieser den Auftrag erhalten, die Motivation des Personals einer Versicherungsgesellschaft mit einer Zeichnung zu verbessern. Für seinen „Ur-Smiley“ erhielt Ball lediglich ein Honorar in Höhe von 45 US-Dollar. Der ungleich größere finanzielle Erfolg Loufranis zeigt, dass es nicht unbedingt auf besondere Originalität ankommt. Mit gut drei Dutzend Mitarbeitenden erwirtschaftet man in der Londoner Zentrale des von ihm gegründeten Unternehmens über eine halbe Milliarde US-Dollar an jährlichen Lizenzeinnahmen. Wenn das kein Grund ist für ein breites Dauergrinsen …
Ein seltsamer Zufall lässt das 50. Jubiläum der Verwandlung des liebenswerten sonnengelben Kerlchens in einen unermüdlichen Goldesel in eine Zeit fallen, in der die Menschheit gezwungen ist, das Lächeln großteils hinter Masken zu verbergen. Wie bei einem Projekt von Christo und Jeanne-Claude wird durch die Verhüllung die wahre Bedeutung der Mimik als Teil der nonverbalen Kommunikation aber überhaupt erst richtig erkennbar. Als Botschafter der Fröhlichkeit und des Zusammenhalts war der Smiley deshalb vermutlich nie wichtiger als heute.
Ohne Smiley geht es nicht mehr
Dass man seinerzeit glaubte, mittels einiger billiger Anstecknadeln mit der Strichzeichnung Harvey Balls darauf einer lästigen Auseinandersetzung mit den Ursachen für schlechtes Betriebsklima entkommen zu können, mutet natürlich heillos naiv an angesichts des heutigen Employer Brandings und der Bemühungen um das Wohlwollen der angeblich anspruchsvolleren Generation Z. Merkwürdig ist auch, dass uns ausgerechnet dieses über spätere Lizenzgebühren so teuer bezahlte Symbol lehrt, dass ein Lächeln nichts kostet und dennoch in fast jeder Lebenslage einen spürbaren Unterschied macht.
Um einiges inspirierender als das finanzielle Geschick Franklin Loufranis war übrigens der Einsatz des 2001 verstorbenen Harvey Ball, mit dem von ihm ins Leben gerufenen „World Smile Day“ (jeweils am ersten Freitag im Oktober) Spendengelder für Kinderhilfsorganisationen zu sammeln. Und wem der Sinn mal nicht nach Gegrinse steht, findet mittlerweile zu jedem Anlass die passende Smiley-Variante. Ob grimmig, spöttisch, traurig oder verwundert dreinschauend – ohne Smiley geht es nicht mehr. Mag das Lächeln der Mona Lisa geheimnisvoller und das Gemälde Leonardo da Vincis respektabler sein. In seiner Einfachheit ist das rund 500 Jahre jüngere Smiley-Gesicht noch deutlich kommunikativer und mit seiner guten Laune ansteckender. Nicht nur als Anstecknadel.
Weitere Informationen:
Harvey Ball World Smile Foundation
www.worldsmile.org