Es war ein weiter Weg von den frühesten Bleistiften der Antike bis zum modernen Bleistift, der eigentlich Graphit enthält. Wir zeichnen ihn nach. Im Bild zu sehen ein Modell aus dem Hause Faber-Castell – der Castell 9000 bei der Qualitätskontrolle. © Faber-Castell

Hinterher ist man meist klüger. Hin und wieder kann es bis zum Erkenntnisgewinn jedoch eine Weile dauern. So mussten erst zwei Jahrhunderte vergehen, bis der deutsch-schwedische Chemiker Carl-Wilhelm Scheele 1778 herausfand, dass es sich bei den ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in England hergestellten Bleistiften in Wahrheit um Graphitstifte handelte. Es brauchte ein weiteres Jahrzehnt, bis der Mineraloge Abraham Gottlob Werner dem Mineral aus reinem Kohlenstoff den passenden, vom griechischen Wort für schreiben abgeleiteten Namen gab. Gegen die Beibehaltung der falschen Bezeichnung im allgemeinen Sprachgebrauch bis in die Gegenwart hinein vermochte die Wissenschaft nichts auszurichten. Angesichts der bis in die Antike zurückreichenden Vorgeschichte ist das Wort Bleistift im Prinzip aber historisch korrekt. Berichten des römischen Geschichtsschreibers Plinius (Gaius Plinius Secundus Maior) zufolge sollen die alten Ägypter schon um 3000 vor Christus Stifte aus reinem Blei verwendet haben. Später machte sich der Mensch die ganz ähnlichen Abrieb-Eigenschaften des Silbers für das Schreiben und Zeichnen zunutze.

Aufstieg der fränkischen Bleistift-Industrie

Die frühen neuzeitlichen Bleistifte aus England lernte man bald nach ihrem Aufkommen auch auf dem europäischen Festland zu schätzen. Schnell verdrängten sie die echten Blei- und Silberstifte. Trotzdem sie ebenfalls in Holz gefasst waren, unterschieden sie sich von heutigen Bleistiften noch wesentlich. Den Weg zum modernen Bleistift ebneten zwei Entdeckungen des späten 18. Jahrhunderts. 1795 entwickelte der Franzose Nicolas-Jacques Conté ein Verfahren zum Ausschlämmen von Graphit. Hierdurch ließen sich die unreinen deutschen Vorkommen nun ebenso für die Bleistiftproduktion einsetzen; eine entscheidende Voraussetzung für den Aufstieg der Bleistifte produzierenden Industrie rund um Nürnberg. Erste Bleistiftmacher hatten hier sieben Jahrzehnte zuvor ihre Arbeit aufgenommen.

Das Anspitzen bildet den letzten Schritt der modernen Bleistiftproduktion, bevor es in die Verpackung und auf die Reise geht. © Faber-Castell

Die Basis-Rezeptur für die moderne Bleistiftmine lieferte der Wiener Joseph Hardtmuth, als er 1790 entdeckte, dass sich Graphitpulver zusammen mit wechselnden Anteilen von Ton zu unterschiedlich abriebfesten Minen brennen lässt. Damit konnten Bleistifte fortan in definierten Härtegraden produziert werden. Die Faustregel lautet: Je weicher der Härtegrad, desto mehr Graphit ist in der Mischung der Mine enthalten. Für härtere Bleistifte wird umgekehrt mehr Ton hinzugegeben.

Normierung und Markierung

Zahlreiche Detailverbesserungen folgten ab dem Ende des 19. Jahrhunderts. Am nutzbringendsten ist mit Sicherheit die Verbesserung der Bruchfestigkeit der Bleistiftmine durch das Verschweißen mit dem typischerweise sechseckigen Holzmantel. Das Zeitalter der Markenprodukte und des Marketings verlangte natürlich danach, alle weiteren Verfeinerungen und Ausdifferenzierungen als Teil von Markenidentitäten in der Markenkommunikation herauszustellen und die Produkte der verschiedenen Marken klar unterscheidbar zu gestalten. Weil die Form der Bleistifte herstellungsbedingt und aus Gründen der Ergonomie und Funktion wenig Spielraum ließ, musste ein alternatives Mittel zur Unterscheidung her: ein markenspezifischer Anstrich.

Noris-Bleistifte von Staedtler erhalten die markentypische farbige Tauchkappe. Bei diesem Designmerkmal handelt es sich nicht etwa um bloßes Styling. Vielmehr lässt sich so auf den ersten Blick der Härtegrad erkennen. © Staedtler

Besonders auffällig präsentieren sich die Modelle der Staedtler-Marke Noris, die 2021 ihr 120. Jubiläum feiert. Die Marke wurde am 10. September 1901 eingetragen. Der Name erinnert an den Ort, wo sich nach wie vor der Hauptsitz von Staedtler befindet: Noris ist ein früher Beiname Nürnbergs. Die inzwischen weltbekannten schwarz-gelben Streifen machen die Bleistifte seit 1955 unverwechselbar. Zudem sorgen sie seither dafür, dass die Bleistifte selbst auf den unaufgeräumtesten Schreibtischen nicht übersehen werden können. Gleichermaßen praktisch: die farbige Tauchkappe. Durch sie erkennt man den jeweiligen Härtegrad auf den ersten Blick.

1955 erhielten die Bleistifte der Erfolgsmarke Noris, die 2021 ihr 120. Jubiläum feiert, die inzwischen weltbekannten schwarz-gelben Streifen. © Staedtler

Der perfekte Bleistift?

Aus dem benachbarten Stein stammen einige der wichtigsten Konkurrenzprodukte. Das Unternehmen Faber-Castell, das hier seinen Sitz hat, ist an Tradition sogar um einiges reicher. Gegründet wurde es 1761, die Gründung von Staedtler erfolgte 1835. Auf das Jahr 1905 geht der Markenname „Castell“ zurück, der bis heute die Spitzenerzeugnisse von Faber-Castell ausweist und zusätzlich zum Unternehmensnamen auf dem Verkaufsschlager zu finden ist, der dunkelgrün lackierten Serie Castell 9000. Dass es 1875 überhaupt zur Verabschiedung eines deutschen Markenschutzgesetzes kam, liegt nicht zuletzt am Einsatz des damaligen Chefs Lothar Faber. Bereits 1851 hatte Faber darüber hinaus eine richtungsweisende Bleistiftnorm eingeführt.

Heutzutage garantieren Normierung, Standardisierung, ständig verbesserte Herstellungsverfahren und aufwendige Kontrollen eine makellose und ausgereifte Qualität. Hinzu kommen Anstrengungen in Sachen nachhaltiger Forstwirtschaft. Ist die Entwicklung des Bleistifts somit abgeschlossen? Vor einigen Jahren beantwortete man die Frage bei Faber-Castell, indem man den – zumindest dem Namen nach – perfekten Bleistift einführte. Ehedem fehlte zur Perfektion also offenbar der in diesem Fall mitgelieferte Bleistifthalter. In den Edelmetall-Ausführungen macht er aus einem Pfennigartikel eine veritable Investition. Sein praktischer Wert ist allerdings unstrittig. Zwar liegen Bleistifte frisch aus der Fabrik dank ihrer angenehmen Länge von circa siebzehneinhalb Zentimetern vorzüglich in der Hand, doch wehe, wenn der Anspitzer als eine Art Zahn der Zeit zu häufig an ihnen nagt.

Verpackt wie ein Staatsgeschenk: Der „perfekte Bleistift“ – hier in der limitierten Weißgold-Edition – wird unter dem Brand „Graf von Faber-Castell“ vermarktet. © Faber-Castell

Weitere Informationen:

Faber-Castell Aktiengesellschaft
www.faber-castell.de

Staedtler Mars GmbH & Co. KG
www.staedtler.com

Bildhinweis:
Das Titelbild zeigt die Qualitätskontrolle bei einem Bleistift der Marke Castell 9000. Bei Faber-Castell entstehen am Standort Stein bei Nürnberg pro Tag 500.000 Bleistifte. © Faber-Castell

 
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