Virtual-Reality-Brillen ermöglichen den Nutzer*innen, sich durch ein digitales Gebäudemodell zu bewegen und dort zu erfassen, welche Wertstoffe im Gebäude verbaut worden sind. Foto: © FH Münster/Frederik Tebbe

Befragt zur Diskrepanz zwischen dem gewohnt perfektionistischen Charakter seiner aufwendigen Rauminstallation für den deutschen Pavillon bei der Biennale von Venedig des Jahres 1997 und ihrer planmäßigen Kurzlebigkeit erklärte der Konzeptkünstler Gerhard Merz seinerzeit, die Erinnerung dauere ja länger. Zum Schluß sei die Welt im Kopf.

Ein Vierteljahrhundert später ist die Welt umgekehrt immer öfter zu Beginn exakt im Kopf respektive Computer angelegt, bevor sie anschließend greifbare Realität wird. Man spricht von digitalen Zwillingen, die ganze Fabriken bis ins kleinste Detail abbilden. Beziehungsweise in der Architektur und im Bauwesen vom Building Information Modeling. Ein großes, weitgehend ungenutztes Potenzial der digitalen Modellierung liegt dabei gar nicht so sehr in der Vereinfachung des Bauens selbst, sondern – wie zunehmend erkannt wird – in der Verbesserung seiner Umweltbilanz (Stichwort Betonrecycling zum Beispiel). Dass es um diese gegenwärtig noch alles andere als gut bestellt ist, dürfte sich herumgesprochen haben. Umso spannender finden wir der Ansatz, Building Information Modeling (BIM, auch Bauwerksdatenmodellierung genannt) in den Dienst der Kreislaufwirtschaft zu stellen.

Building Information Modeling kann Bauwerke als Rohstoffquellen erschließen

Im Rahmen eines auf zwei Jahre angelegten Forschungsprojektes haben sich Forschende mehrerer Fachbereiche der FH Münster zusammengeschlossen, um den Prozess des Building Information Modeling zu optimieren. Sie wollen neue Ansätze entwickeln und Impulse geben. Die Idee dahinter: Bauwerke des Hoch- und Tiefbaus sind für die Zukunft wichtige Rohstoffquellen. Nach dem Rückbau können die Baustoffe einem Recycling zugeführt werden. So bleiben sie Teil des Wertstoffkreislaufs. Um festzustellen, welche Stoffe tatsächlich verarbeitet wurden, benötigt man allerdings Angaben zu Mengen und Materialqualitäten sowie zur Verbindung der einzelnen Baustoffe miteinander. Genau hier kommt Building Information Modeling ins Spiel. „Bauwerke lassen sich hiermit in Form eines digitalen Modells mit geometrischen Informationen und allen zusätzlichen Informationen zur verbauten Masse vollständig abbilden“, erklärt Prof. Dr. Henriette Strotmann vom Fachbereich Bauingenieurwesen. „Mit BIM speichern und erweitern Nutzerinnen und Nutzer Informationen zum Bauwerk – etwa zur Identität der verwendeten Bauteile, Konstruktions- und Materialinformationen oder Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen.“

In der Planungs- und Genehmigungsphase von Bauwerken wird Building Information Modeling in einzelnen Projekten bereits eingesetzt. Eine gezielte Aufnahme, Weiterentwicklung und Nutzung dieser Daten im Sinne der zirkulären Wertschöpfung fehlt jedoch bislang. Dazu Prof. Dr. Carsten Bäcker vom Fachbereich Energie · Gebäude · Umwelt: „Wir wollen aufzeigen, welche Defizite und Potenziale im Bausektor gerade im Hinblick auf die Digitalisierung bestehen. Für die zirkuläre Wertschöpfung wären digitale Methoden wie BIM von großem Nutzen. Deshalb wollen wir Optimierungsansätze entwickeln.“

Weitere Informationen:
FH Münster
www.fh-muenster.de

Bildhinweis:
© FH Münster/Frederik Tebbe

 
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