Mit Pia Pasalk, Desigerin und Gründerin des Labels Content & Container, sprachen wir u. a. über Vollkommenheit und Makel, Schnelllebigkeit und Zufall.

Die Arbeiten von Pia Pasalk beziehen ihre Faszination aus dem Spannungsfeld zwischen makelloser Oberfläche und Gebrauchs- respektive Werkspur, zwischen prosaischer Serialität und der Poesie des Unikats. Immer wieder schafft sie es, scheinbar unüberwindbare Gegensätze zu überraschenden Hybriden zu verschmelzen und Unregelmäßigkeiten durch Überbetonung ästhetisch zu nobilitieren und ins Zentrum spannender Inszenierungen zu rücken.

Was läge im Bauhaus-Jubiläumsjahr näher, als mit der Gründerin des Design-Labels Content & Container über das Verhältnis von Handwerk, Kunst und Design oder das von Form und Funktion zu diskutieren. Das allein würde allerdings einen Aspekt vernachlässigen, der elementar für das Design von Pia Pasalk zu sein scheint: der konzeptuelle. Die Parallelen zur Kunst – insbesondere Konzeptkunst – sind nicht zu übersehen. Darüber, über ihre Arbeitsweise und über die Frage, woher sie ihre Inspiration bezieht, sprachen wir mit der in Köln lebenden Diplom-Designerin.

CP: Frau Pasalk, wissen Sie noch, wann Sie erstmals die Idee hatten, eine Handtasche nicht nach einem modischen „It-Bag“, sondern wie ein profanes Postpaket aussehen zu lassen – oder alte Mehl- beziehungsweise Kaffeesäcke in begehrenswerte Design-Objekte zu verwandeln?

Pia Pasalk: Mit Mehl- und Kaffeesäcken habe ich bereits seit 2006 gearbeitet. Das erste Modell der Dockerhandbag habe ich 2009 im Rahmen der Ausstellung „Hafentaschen“ der Galerie Werft 11 im Kölner Rheinauhafen entworfen.

Der Wandel des Rheinauhafens und anderer Hafenareale von ehemaligen Warenumschlagsplätzen zu Büro- und Flaniermeilen spiegelt sich in der Dockerhandbag wider, der Tasche für den modernen „Hafenarbeiter“, gestalterisch zwischen Alt und Neu, Tradition und Moderne.

Die Idee für die Parcelbag hatte ich 2012. In Zeiten des Onlinehandels kann die Vorfreude auf das Paket die Freude über das ausgepackte Produkt übertreffen. Die Parcelbag, die formal zum Paket wird, konserviert diesen Zustand der Vorfreude.

 

Varianten der Parcelbag von Pia Pasalks Label Content & Container.
Varianten der Parcelbag von Pia Pasalk.

 

CP: Wann haben Sie beschlossen, ein Unternehmen, eine Design-Marke zu gründen?

Pia Pasalk: Bereits während meiner Ausbildung zur Goldschmiedin in Florenz arbeitete ich selbstständig und organisierte mit befreundeten Gestaltern Ausstellungen. Das Produktdesignstudium in Düsseldorf habe ich mit dem Ziel begonnen, ein eigenes Design-Label zu gründen.

Nach dem Studium gründete ich Content & Container und entwickelte die verschiedenen Kollektionen – den Content. Mein Mann hat das mit einem IF-Award ausgezeichnete Erscheinungsbild entworfen – den Container.

CP: Von den vielen Implikationen und Bedeutungsebenen abgesehen – wir kommen noch darauf zu sprechen – sind Ihre Kreationen auch handwerklich äußerst anspruchsvoll. Wie fanden Sie die richtigen Partner zur Verwirklichung Ihrer Ideen?

Pia Pasalk: Besonders in der Goldschmiedekunst ist handwerkliche Perfektion das A und O. Der handwerkliche Aspekt ist daher in meiner Arbeit immer von großer Bedeutung gewesen.

Ich hatte außerdem das Glück, mich in vielen Bereichen wie Modedesign, Kostümbild, Bühnenbild und Performance ausprobieren zu können, wodurch ein Netzwerk aus Gestaltern, Handwerkern und Herstellern aus dem Großraum NRW entstanden ist.

CP: Ihnen gelingt ein faszinierender Spagat: Ohne utilitaristisch gesehen in den Bereich der Spielerei abzudriften, provozieren Sie zum Nachdenken und stellen vermeintliche Gewissheiten infrage. Vollkommenheit und Makel zum Beispiel. Oder Serialität und Individualität. Etwas, das die Geschichte des Designs als Subtext von den Anfängen der Industrialisierung ebenso begleitet wie die Kunst seit Beginn des Zeitalters ihrer mechanischen Reproduzierbarkeit. Woher stammt Ihr Interesse für diese Themen und Fragestellungen?

Pia Pasalk: Das Interesse für diese Themen und Fragestellungen hat einen sehr persönlichen Ursprung. Ich stottere seit meinem dritten Lebensjahr, daher war ich sehr früh mit meiner vermeintlichen Unvollkommenheit und damit, was diese bei meinen Mitmenschen bewirkt, konfrontiert. Das hat mich sehr geprägt und für dieses Thema sensibilisiert.

Ich habe früh angefangen, vermeintlich gegebene Umstände in Frage zu stellen und meine Umgebung sehr genau zu beobachten. Da ich nichts daran ändern konnte, habe ich angefangen diese vermeintliche Unvollkommenheit für mich einzusetzen und damit zu spielen. Zuerst geschah das rein provokativ. Mit der Zeit habe ich daraus ein Stilelement gemacht.

Hinzu kommt, dass meine 6-jährige Tochter seit ihrer Geburt unter den Bedingungen einer Trisomie 21 lebt, auch als Down-Syndrom bekannt. Das Leben mit meiner Tochter hat mein Verständnis von Schönheit und Vollkommenheit noch einmal radikal verändert.

Es kommt daher nicht von ungefähr, dass ich mich sehr für die japanische Philosophie des Wabi-Sabi interessiere, die sich der Schönheit der unvollkommenen Dinge widmet.

 

Kaffeetasse und Untertasse sowie Teeschalen und Teekanne von Pia Pasalk.
Kaffeetasse und Untertasse sowie Teeschalen und Teekanne von Pia Pasalk.

 

CP: Der Konzeptkünstler und mehrfache Documenta-Teilnehmer Gerhard Merz hat im Zusammenhang mit dem Expressionismus einmal den Begriff der „simulierten Geworfenheit“ ins Spiel gebracht, was abwertend gemeint war. Vieles an Ihren Schöpfungen erinnert an diesen Begriff – wohlgemerkt im positiven Sinne.

Sie selbst schreiben an einer Stelle sinngemäß, dass sogar die am stärksten einem Versehen ähnelnden Strukturen zugleich wie eine bewusste Komposition wirken. Das eröffnet eine selbstreferenzielle Dimension, die Ihr hohes Bewusstsein für die Sprache des Designs, für Konventionen, Material, Proportionen und für Anordnungsnotwendigkeiten ebenso beweist wie für den Kontext, in dem Objekte sich behaupten und interagieren müssen. All das läuft auffällig parallel zur Konzeptkunst. Täuscht der Eindruck oder handelt es sich hierbei um eine Ihrer Inspirationsquellen?

Pia Pasalk: Die Konzeptkünstlerinnen Marina Abramović und Cindy Sherman haben mich beeinflusst, aber auch Elsa Schiaparelli und Bazon Brock. In besonderem Maße inspiriert hat mich neben der bereits erwähnten japanischen Philosophie des Wabi-Sabi auch das gestalterische und literarische Werk des japanischen Designers Ken’ya Hara.

Meine Arbeiten funktionieren auf zwei Ebenen, als Objekt und als Gebrauchsgegenstand. Dies ist auch der Grund, weshalb meine Arbeiten sowohl in Kaufhäusern als auch in Museen zu finden sind.

CP: Welche Rolle spielt der Zufall bei Ihrer Suche nach neuen (Ausdrucks-)Formen?

Pia Pasalk: In der Regel lasse ich bei der Gestaltung meiner Arbeiten ganz bewußt einen Raum für Zufall. Dies gilt besonders für die Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Material oder dem Einsatz bestimmter Werkstoffe, die zum Beispiel Patina ansetzen. Mir ist es wichtig, nicht von vornherein alles in eine erdachte Form pressen zu wollen. Ich versuche immer neugierig zu bleiben, damit mir keine interessanten und unerwarteten Aspekte entgehen.

CP: Im Jubiläumsjahr kann man sich dem Thema Bauhaus kaum entziehen – warum auch … Eine der hauptsächlichen Bestrebungen war damals ja die Überwindung der – wie Gropius sich im Bauhaus-Manifest ausgedrückt hat – „selbstgenügsamen Eigenheit“ der bildenden Künste vermittels des Erzeugens einer Einheit. Diese sollte aus der gemeinsamen Rückkehr zum Handwerk entstehen.

Der Bezug zu Ihrer Arbeit ergibt sich somit ganz natürlich aus der schon angesprochenen Verbindung verschiedener Disziplinen, die Sie mit Ihren Objekten stiften. Und tatsächlich ließen sich mit Ihren Parcelbags am Bauhaus entwickelte reduktionistische Gestaltungsprinzipien veranschaulichen, während andere Objekte opulenter erscheinen, eine deutlich sinnlichere Qualität aufweisen; also fast wie ein Gegenentwurf zum Bauhaus – wie seinerzeit etwa Memphis.

Welcher Ansatz liegt Ihnen mehr? Oder ist es gerade der Verzicht auf eine eindeutige Festlegung, die Sie präferieren beziehungsweise zum Ausdruck bringen wollen?

Pia Pasalk: Ich würde mich ungern festlegen wollen. Nach Memphis stand wieder der Mensch mit all seinen Sinnen im Mittelpunkt. Besonders bei Gebrauchsgegenständen spielen Haptik und Taktilität eine entscheidende Rolle, daher lege ich auf diese Dinge ebenso großen Wert, wie auf die äußere Erscheinung.

CP: Machen wir gleichzeitig einen Zeit- und einen thematischen Sprung: Individualisierung und Losgröße eins sind Stichworte aus der Zukunft der industriellen Massenproduktion, die mit der additiven Fertigung aktuell anbricht. Beschäftigen Sie sich mit 3D-Druck?

Pia Pasalk: Ich nutze auch die Möglichkeiten des 3D-Drucks zur Herstellung von Modellen. Losgröße eins ist der Gegenentwurf meiner Produkte. Ich bezeichne sie gerne als Serienunikate, da ihre Einzigartigkeit unter anderem durch die bewusst herausgearbeiteten Makel der seriellen Produktion entsteht. In Anbetracht der heutigen Möglichkeiten müssen Begriffe wie Unikat und Serie oder Original und Plagiat neu gedacht werden.

CP: Dinge wie Ihre Taschen eignen sich gewiss gut als modische Accessoires, bilden aber eigentlich eine Art Gegenentwurf zu kurzlebiger Wegwerfmode. Glauben Sie, dass wir am Anfang eines grundlegenden Wandels des Konsums stehen, hin zu mehr Wertigkeit und Dauerhaftigkeit?

Pia Pasalk: Das wäre wünschenswert. Ich versuche zeitlose Objekte zu gestalten. Mir ist bewusst, dass dies nur bedingt möglich ist, aber ich glaube, dass Zeitlosigkeit auch eine gestalterische Qualität ist.

Die Gruppe der Konsumenten, die sich für die Herkunft ihrer Produkte interessieren und für die Wertigkeit und Langlebigkeit wichtig sind, wird immer größer. Momentan empfinde ich dies mehr als ein parallel existierendes Universum und weniger als einen Wandel.

Die Taktung der Modeindustrie war für mich schon immer abschreckend. Die gleiche Kurzlebigkeit findet sich schon seit längerem im Bereich des Produktdesigns wieder. Eigentlich müsste das System irgendwann kollabieren.

CP: Welches Objekt aus Ihrem umfangreichen Portfolio ist Ihr persönlicher Favorit und bei welchem war die Realisation am schwierigsten?

Pia Pasalk: Mein persönlicher Favorit ist die Cup with Seams, aus dieser Tasse trinke ich seit Jahren jeden Morgen meinen Kaffee (Als Teil der „Perfect Imperfect“-Kollektion werden Makel und rohe, haptische Oberflächen des Porzellans, die bei der Herstellung entstehen, nicht ausgesondert, sondern bewusst in die Gestaltung integriert, Anm. d. Red.). Bei den meisten Objekten gab es knifflige Stellen in der Umsetzung. Ich bin sehr Detailversessen.

CP: Wagen wir zum Schluss einen Ausblick: Wo sehen Sie sich und Ihr Unternehmen in den nächsten Jahren? Gibt es ein geplantes Projekt, über das Sie bereits sprechen können?

Pia Pasalk: In den 20 Jahren meiner gestalterischen Tätigkeit hat sich sehr viel verändert und der Markt wird immer schnelllebiger. Wichtiger als eine langfristige Planung ist für mich ein regelmäßiges Innehalten, um die Richtigkeit des eigenen Handelns zu überprüfen. Ich glaube, dass es wichtig ist, ein klares Profil zu haben und es kontinuierlich zu schärfen. Das nächste Projekt ist der Umzug meines Studios in den Kölner Süden. Mittlerweile bin ich Mutter von vier Kindern zwischen ein­ein­halb und zehn Jahren, daher möchte ich Familie und Arbeit näher zusammenbringen.

CP: Frau Pasalk, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen für das anstehende Projekt sowie ganz allgemein für die Zukunft viel Glück und Erfolg. 

Weitere Informationen:
Content & Container
Dipl.-Des. Pia Pasalk
www.contentandcontainer.com

 
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