Umsatz sei der schönste Satz, behaupten manche. Dagegen ist wenig zu sagen, solange die Bank nicht anruft und mahnt, dass der Geldspeicher bald platzt. Seit Kaiser Vespasians Latrinensteuer – also seit rund 2000 Jahren – gilt das Prinzip: Pecunia non olet – Geld stinkt nicht. Sogar mit kapitalismuskritischen Zeitgenossen wird man sich aber vermutlich einigen können, dass folgender Satz einen ebenso guten Klang besitzt: Es gibt etwas zu feiern!
In diesem Jahr haben wir tatsächlich einen besonderen Grund zum Feiern. Vor mittlerweile zwanzig Jahren (wir können es selbst kaum glauben) entstand COLD PERFECTION als diejenige herausgebende Institution des gleichnamigen Journals, in dem sie jetzt gerade lesen. Dass es inzwischen so vielen etwas bedeutet, freut uns, ja versetzt uns durchaus ein wenig in Feierlaune. Nur entspricht es nicht unserem Stil, uns in den Mittelpunkt zu drängen, weswegen dieses Streiflicht genügen soll.
Konzentrieren wir uns lieber wieder auf unsere Arbeit und betrachten, was es mit dem Feiern (das vom Umsatz wegen der häufig hohen Kosten nicht weit entfernt ist) überhaupt auf sich hat.
Einen Grund zum Feiern findet man immer?
Viele Menschen feiern aus Freude über Ereignisse. Doch vermutlich genauso viele suchen darin Ablenkung oder Vergessen. Beispielsweise von der Enttäuschung über den tristen (beruflichen) Alltag. Davon erzählt auch der Kultfilm Saturday Night Fever aus dem Jahre 1977. Als populärkultureller Kristallisationskern löste der Soundtrack in Verbindung mit den virtuosen Tanzdarbietungen von Tony Manero alias John Travolta die bis heute nachwirkende Disco-Bewegung aus.
Feiern als fröhlicher Ausnahmezustand ist auf der anderen Seite eng verbunden mit dem Erinnern. Zurückverfolgen lässt sich das mindestens bis in die Antike, als Feste unter anderem dazu dienten, Vorstellungen der eigenen kulturellen Herkunft wachzurufen. Dass bei antik-römischen Feiern manchmal Masken mit den Gesichtern Verstorbener getragen wurden, zahlt gleichermaßen auf die erinnerungskulturelle Rolle ein.
Früher war mehr Lametta
Ein hinsichtlich dieser Funktion gut vergleichbares heutiges Beispiel ist mit Blick auf die bevorstehende Weihnachtszeit schnell gefunden. Kollektives festliches Erinnern steht hierbei traditionell im Vordergrund, wurde und wird jedoch überschattet vom konsumistischen Hochfest des Kaufens, Schenkens und anschließenden Umtauschens.
Obschon das die Kirchen nicht zwangsläufig voller macht, ist es, was das betrifft, in der Zwischenzeit unübersehbar zu einem Umdenken gekommen. Die Bilder aus Loriots legendärem Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedts“ sind daher nicht länger verallgemeinerbar. Der zum geflügelten Wort avancierte Satz von Opa Hoppenstedt hingegen schon: Früher war (definitiv) mehr Lametta.
Wie, wo und warum auch immer Sie künftig feiern mögen: Feiern Sie schön, wohltuend und unvergesslich. Und sollten Sie im Zuge des Feierns das eine oder andere vergessen, so hoffen wir, dass Sie unser Journal dennoch in guter Erinnerung behalten und gelegentlich wieder vorbeischauen.
Herzlichst
Michael Graef
Chefredakteur und Mitbegründer von COLD PERFECTION
Bildhinweis:
Das Titelbild entstand unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz