Lebensmittel- und Bekleidungsindustrie verbindet, dass sie größtenteils auf denselben landwirtschaftlichen Methoden aufsetzt, die Böden vergiften und die Biodiversität bedrohen. Ein Ausweg aus der Sackgasse sind alte Kulturpflanzen wie Flachs.

Dank Friedrich Hölderlin wissen wir, dass mit der Gefahr auch das Rettende wächst. Immer mehr Menschen erkennen demgemäß die Wichtigkeit des Themas Biodiversität und begreifen, dass die von einem weltweiten Oligopol von Saatgut- und Pestizid-Herstellern kontrollierte industrielle Landwirtschaft erst alte Kulturpflanzen zugunsten von Hybridsaatgut verschwinden lässt, dann Insekten, Vögel, ja die gesamte Artenvielfalt und schließlich den Fortbestand der Menschheit gefährdet. Ein Sieg über die „Diktatur der Quartalsberichte“ und das fatale Gruppendenken verantwortungsloser Manager ist jedoch möglich. Kluge Kaufentscheidungen genügen. Die wachsende Auswahl an fantastischen Bioprodukten und nachhaltig produzierten Textilien beispielsweise macht das sogar zunehmend leichter.

Auswege aus der Sackgasse

Die beiden auf den ersten Blick disparaten Bereiche Lebensmittel- und Bekleidungsindustrie verbindet, dass bei der konventionellen Herstellung größtenteils dieselben landwirtschaftlichen Methoden zum Einsatz kommen, welche Böden und das Grundwasser mit besagten chemischen Giften verseuchen, durch Monokultur Wasser verschwenden und mit zur Versteppung beitragen. Aber hier wie da gibt es Auswege aus der Sackgasse. Einer davon ist die Rückbesinnung auf alte Kulturpflanzen wie den Gemeinen Lein (Linum usitatissimum). Die Fasern der einjährigen, 20 bis 100 Zentimeter hoch wachsenden Pflanze, die ebenfalls als Flachs bekannt ist, schenken uns unter anderem die Grundlage für Leinen. Der vielseitig einsetzbare Stoff ist bemerkenswert robust. Aus Flachsfasern entstand nicht umsonst jahrhundertelang Tauwerk (das Wort „Leine“ erinnert daran). Zugleich ist Leinen angenehm auf der Haut.

Eine Paradedisziplin von Leinen ist leichte Sommerkleidung. Das liegt an einer besonderen Eigenart der Faser. Leinen nimmt große Mengen Luftfeuchtigkeit auf und tauscht sie schnell mit der Umgebungsluft aus. Das bewirkt eine angenehme Kühlung, obwohl trockener Leinenstoff sehr wohl zu wärmen vermag. Damit nicht genug: Flachsfasern können zudem zu natürlichem Dämm- und Isolierstoff verarbeitet werden. Und noch einige weitere verblüffende Eigenschaften sprechen für Flachs beziehungsweise Leinen: Das Gewebe ist von Natur aus bakterizid, fast antistatisch, schmutzabweisend und flusenfrei.

Ein Multitalent unter den alten Kulturpflanzen wird wiederentdeckt

Bis zum Zweiten Weltkrieg war Flachs weit verbreitet. Bereits ab dem Ende des 19. Jahrhunderts begann die Verdrängung durch Baumwolle und später durch die – wie wir mittlerweile wissen – überaus problematischen Synthetikfasern. Inzwischen beträgt der Anteil von Leinen auf dem Textilmarkt weniger als ein Prozent. Höchste Zeit also für eine Wiederentdeckung.

Genau das dachte man sich offenbar gleichfalls am Berner Zentrum Paul Klee, wo in diesem Jahr mithilfe demonstrativer Felder auf das genügsame und daher leicht auf nachhaltige und ressourcenschonende Weise zu kultivierende Multitalent aufmerksam gemacht wird. Ein vorbildhaftes Projekt, das nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Klimawandels große Aktualität besitzt. Ein interessanter Aspekt ist die Tatsache, dass sich aus Leinsamen zusätzlich wertvolle Öle gewinnen lassen. Der Anteil an Omega-3-Fettsäuren ist übrigens bei keinem anderen Pflanzenöl höher. In der Vergangenheit diente Leinöl außerdem als Lampenöl sowie als Bindemittel für Farben und als Firnis. Der Kunst kam ebenso der Holzanteil der Stängel zugute, der die Verarbeitung zu Papier oder Leinwand erlaubt. Dem Wort „Kulturpflanze“ verleiht das quasi noch eine ganz andere Bedeutung.

Weitere Informationen:
Zentrum Paul Klee
www.zpk.org

Bildhinweis:
© Zentrum Paul Klee

 
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