Wie kann die Verödung der Innenstädte gestoppt werden? Lassen sie sich in lebendige Orte verwandeln? Zwei Studierende der FH-Münster haben Vorschläge. Das Titelbild zeigt eine Grafik von Annika Hopster und Sebastian Reitemeyer zu den möglichen neuen Nutzungen eines leerstehenden Warenhausgebäudes in Hamm.

Über 70 Jahre lang prangte auf dem Dach des Hotels Handelshof – einer bedeutenden Essener Landmarke – unter dem Stadtwappen und Namen der Ruhrmetropole in beleuchtbaren Versalien das Motto „DIE EINKAUFSSTADT“. Nur wenige wissen, dass einen Katzensprung davon entfernt 1927 Deutschlands erste Fußgängerzone geschaffen wurde. Das Vorbild für zahlreiche andere deutsche Innenstädte. Seit einigen Wochen ist aber mit dieser Eigenwerbung Schluss. Jetzt weist die in „FOLKWANGSTADT“ abgeänderte Leuchtschrift auf das 100-jährige Gründungsjubiläum des Museums Folkwang hin. Und auf den Folkwang-Gedanken des weit über die Grenzen des Ruhrgebiets einflussreichen Kunstmäzens Karl Heinz Osthaus. Eine – wie es heißt – temporäre Aktion.

Vielen muss es hingegen wie das späte Eingeständnis der Tatsache vorgekommen sein, dass es mit dem altbekannten Einkaufserlebnis in der Essener Innenstadt vorbei ist. Die Pandemie bildete jedoch lediglich das Schlusskapitel einer langen traurigen Geschichte. Sie begann vor über einem Jahrzehnt mit dem Verschwinden der meisten Fachgeschäfte und traditionellen Cafés. Kürzlich schloss dann mit Galeria Kaufhof noch das letzte verbliebene echte – weil gut sortierte – Essener Warenhaus seine Tore für immer.


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Innenstädte in lebendige und attraktive Orte der Begegnung verwandeln

Essen ist heute quasi überall. Oder anders: Nahezu alle deutschen Innenstädte kämpfen gegenwärtig mit ähnlichen Problemen und suchen nach Antworten, um der Verödung etwas entgegenzusetzen. Das Problem: Wer braucht die stets gleichen Filialgeschäfte, die sich vielerorts als einzige die hohen Ladenmieten leisten können, wo es das Internet samt Lieferservice gibt? Allerdings hat die Zeit der Lockdowns und Shutdowns gezeigt, dass Digital allein nicht glücklich macht. Einen lebendigen und attraktiven Ort der Begegnung wünschen sich viele. Doch wie soll der aussehen? Und wie lässt er sich verwirklichen?


 
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Am konkreten Beispiel Hamm haben sich unlängst zwei Architekturstudierende der FH-Münster intensiv mit der Frage beschäftigt. Und sie fanden Lösungen für die Wiederbelebung von Innenstädten, die bemerkenswert sind und bereits für preiswürdig erachtet wurden. Annika Hopster und Sebastian Reitemeyer erhielten für ihr innovatives Nutzungskonzept für ein leerstehendes, zuvor ebenfalls durch Galeria Kaufhof genutztes Warenhausgebäude in Hamm unter 245 eingereichten Projekten von 65 Hochschulen aus sieben Ländern den ersten Preis des „Competitionline Campus Award 2022“ in der Kategorie Studierendenarbeiten. Ihr Ansatz, der im Rahmen eines Seminars von Dozent Neil Winstanley entstand, verbindet die Bereiche Bildung, Kultur, Freizeit, Sport und Wohnen.

Sebastian Reitemeyer und Annika Hopster sind die glücklichen Gewinner des Competitionline Campus Award 2022. (Foto: Marcel Klaus)

Auf das Zusammenspiel kommt es an

„Im Seminar an der Hochschule ging es darum, wie der lokale Einzelhandel ausstirbt und sich Innenstädte dabei verändern“, resümiert Annika Hopster. Zunächst haben sie und ihr Kommilitone das leerstehende Gebäude im Zusammenspiel mit dem gesamten Zentrum von Hamm betrachtet. „Wenn man vom Bahnhof aus die Innenstadt betritt, fällt einem sofort der großflächige Leerstand der ehemaligen Kaufhäuser ins Auge. Das schwächt die Attraktivität von diesem wichtigen Teil der Innenstadt“, erklärt Sebastian Reitemeyer. Um praxistaugliche Ideen zu entwickeln, haben die beiden mit den Menschen vor Ort gesprochen. Darüber hinaus orientierten sie sich am existierenden Masterplan der Stadt Hamm. Dieser sieht diesen Teilbereich als Kultur– und Bildungsstadt vor. Darauf gestützt entwickelten Hopster und Reitemeyer ein neues Nutzungskonzept, das die beachtlichen Gebäudetiefen berücksichtigt.

„Die großzügige Eingangshalle kann für unterschiedlichste Veranstaltungen wie beispielsweise Ausstellungen und Flohmärkte flexibel genutzt werden. Außerdem sollen ein Auditorium für Vorträge und Programmkino sowie eine Zweifachsporthalle für Sportkurse und Turniere entstehen, die mithilfe eines neu aufgesetzten Daches von oben natürlich belichtet wird“, erläutert Hopster. Das studentische Team hat dazu Wohnungen eingeplant und möchte außerdem den Parkplatz hinter dem Bau öffnen. Er soll als geschützter Ort unter freiem Himmel Aufenthaltsqualität bieten.

Fazit: Ein vielversprechendes Projekt, das hoffentlich Schule macht

„Wir wollten einen Raum schaffen, der ein möglichst breites Publikum anspricht, ein generationenübergreifendes Programm anbieten kann und nicht auf Konsum abzielt. Wenn zudem Wohnungen in Innenstädten entstehen, steigt das Sicherheitsgefühl, da sie auch nachts belebter sind“, so das Fazit von Sebastian Reitemeyer. Und Annika Hopster kommentiert: „Es war besonders interessant, sich mit den Zukunftsthemen Nachhaltigkeit, Bauen im Bestand und Stadtplanung zu befassen.“ Es lag nahe, sich mit diesem so aktuellen und relevanten Entwurf für den Competitionline Campus Award zu bewerben. Als Nächstes wollen Hopster und Reitemeyer auf die Stadt Hamm zugehen. Und wer weiß, vielleicht machen ihre Vorschläge bald in weiteren deutschen Städten Schule.

Weitere Informationen:
FH Münster
www.fh-muenster.de

Bildhinweis:
Das Titelbild zeigt eine Grafik von Annika Hopster und Sebastian Reitemeyer zu den möglichen neuen Nutzungen des leerstehenden Warenhausgebäudes (ehemals Galeria Kaufhof) in Hamm.

 
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