Styling ist kein Design. Um relevant zu bleiben, müssen Firmen anders Farbe bekennen als mit der Farbe des Jahres. Editorial von Michael Graef.

Was haben Sie sich für das neue Jahr vorgenommen? Eine Idee, die uns gefallen hat: Zu versuchen, hierzulande im Unternehmensalltag bei Team-Meetings und Jours Fixes ab und zu mal deutsche Vokabeln einzustreuen. Mit derlei „Fremdsprachenkenntnis“ kann man nicht nur beeindrucken, manchmal wird durch den Verzicht auf Business-Kauderwelsch sogar klar, was wirklich gemeint ist.

Farbe bekennen

Während also manche noch bei den guten Vorsätzen sind, bereiten andere schon alles vor für gute Umsätze. Möbel, Wandfarbe & Co. suchen auch heuer ein neues Zuhause. Daher tun Agenturen, Redaktionen einschlägiger Magazine und bezahlte Propagandisten mit Namen „Influencer“ ihr Möglichstes, um die neuen Trends in die Köpfe zu pflanzen. Allen voran die sogenannte, vom Pantone Farbinstitut vorgegebene „Farbe des Jahres“. Bedarfsweckung kommt in einer pappsatten Konsumwelt vor Bedarfsdeckung. Merkwürdig, dass in dem Zusammenhang so oft Wörter wie „aktuell“ und „modern“ gebraucht werden. Dabei sind die Prinzipien hinter dem Ganzen doch sehr alt – und angesichts des Zustands unseres Planeten überaus unzeitgemäß. Sie stammen aus den Anfängen der Wegwerfgesellschaft.

Obwohl ein Umdenken begonnen hat und Langlebigkeit für immer mehr Menschen wichtiger wird, hat sich die Menschheit insgesamt gesehen leider wenig weiterentwickelt. Unendlich viel bleibt zu verändern – präzise: zu verbessern. Bei Rohstoffen und deren Gewinnung, Herstellungsmethoden, dem gesamten Lebenszyklus von Produkten. Das ist natürlich viel mehr Aufwand als ein bloßer Farbwechsel, mit dem vorhandene Produkte aufgehübscht werden. Unternehmen, die künftig als verantwortungsvolle gesellschaftliche Akteure gelten wollen, müssen hier dringend Farbe bekennen.

Design versus Styling

Wir haben es uns zum Prinzip gemacht, all das kritisch zu hinterfragen und aufzuklären. Griesgrämig möchten wir deswegen allerdings nicht werden. Eine bunte Welt ist schließlich erstrebenswert und Farben vermögen zu verzaubern. Bis zu einem gewissen Grad jedenfalls. Entscheidet man sich zum Beispiel für „Viva Magenta“, gehandelt als Farbe des Jahres 2023, darf man trotz des Namens nicht damit rechnen, dass die eigene Internetanbindung schneller wird oder Funklöcher verschwinden. Hierfür sind dann wieder gutes Design und Engineering gefragt; oberflächliches Styling reicht eben nicht aus.

Im Namen der Redaktion wünsche ich Ihnen für 2023 viel Gesundheit, Glück und Zufriedenheit und hoffe, dass wir Sie erneut mit einer bunten Mischung an Themen durch das Jahr begleiten dürfen.

Herzlichst
Michael Graef

Chefredakteur und Mitbegründer von COLD PERFECTION

 
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