76 Jahre lang – länger als irgendjemand sonst – schuf Pierre Cardin Mode. Am Ende eines ohnedies schwarzen Jahres ist er für immer gegangen.

Thomas Edison hat einmal behauptet, in seinem Leben keinen einzigen Tag gearbeitet zu haben; es sei alles bloß Vergnügen gewesen. Ganz ähnlich muss es der 1922 in Venetien als Pietro Costante Cardini geborene Sohn eines Weinhändlers empfunden haben, den die Welt als Pierre Cardin kennt. Das würde jedenfalls erklären, wie es dem französischen Modedesigner und Entrepreneur gelang, über 76 Jahre hinweg – länger als irgendjemand sonst – im Fashion-Business und darüber hinaus beruflich aktiv und dabei ungeheuer erfolgreich zu bleiben.

Identitätsstiftende Mode

Schnell würde eine Aufzählung von Pierre Cardins Leistungen als Couturier und Designer – oder auch nur eine Liste der vielen Firmen und Lizenzverträge, die den Visionär zum Milliardär machten –, ganze Seiten füllen. Für sein öffentliches Image am prägendsten waren sicher seine futuristischen Entwürfe der 1960er- und 70er-Jahre. Mit körperbetonten, unkomplizierten Schnitten, klaren, auffälligen Farben und unter Verwendung modernster Materialien schuf Cardin eine vollkommen unkonventionelle, identitätsstiftende Mode für eine Zeit großer gesellschaftlicher und politischer Umwälzungen.

Cardin selbst behauptete über seine Mode, sie drücke nicht den Zeitgeist aus, „sondern die Gedanken und die Haltung einer Epoche. Ich schaue nicht zurück, sondern nach vorne.“ Er wollte Kleider für ein Leben schaffen, „das es noch gar nicht gibt – für die Welt von morgen“.

Selbstbestimmt bis zuletzt

Als erster Modeschöpfer schaffte Cardin in der Folge den Spagat zwischen begehrenswerter Haute Couture und erschwinglicher Prêt-à-porter-Massenware, mit der er Kaufhäuser und später Discounter eroberte. Geschäftssinn und Schöpfertum verbanden sich in ihm wie in kaum einem anderen. Als alle übrigen Mode- und Designgrößen seiner Zeit die Leitung ihrer Unternehmen längst abgegeben oder an Konzerne verkauft hatten, konnte Cardin weiterhin selbst bestimmen, was unter seinem Namen auf den Markt kommen sollte.

Am 29.12.2020 – am Ende eines ohnedies schwarzen Jahres – ist Pierre Cardin für immer gegangen. Passenderweise schwebte dem kinderlosen Mitglied der französischen Ehrenlegion vor, dass eine Stiftung nach seinem Tod mit seinem riesigen Vermögen das Leid in der Welt lindern und Krankenhäuser bauen solle.

Pierre Cardin. Fashion Futurist

Unlängst erst, vom 19. September 2019 bis zum 5. Januar 2020, widmete der Düsseldorfer Kunstpalast Pierre Cardin eine umfangreiche Retrospektive und präsentierte Kleidung und Accessoires der 1950er- bis 1990er-Jahre, Fotos und Filmmaterial. Bei den Vorbereitungen konnte das Museum direkt mit dem Designer zusammenarbeiten.

Die im Kerber Verlag erschienene und von Barbara Til, der Kuratorin der Ausstellung, herausgebene begleitende Publikation „Pierre Cardin. Fashion Futurist“ (unser Titelbild) gewährt spannende Einblicke in ein aufregendes Leben und empfiehlt sich für alle, die an Mode und Design interessiert sind.

Pierre Cardin. Fashion Futurist
Kerber Verlag
Mit Texten von Ingeborg Harms, Barbara Til und Maria Zinser
ISBN 978-3-7356-0574-0
180 Seiten, Hardcover, gebunden

Weitere Informationen:
Kerber Verlag
www.kerberverlag.com

 
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