Die Erfolgsgeschichte von Canton begann vor 50 Jahren im hessischen Weilrod. Die Unternehmensgründer und der typische weiße Canton-Bus aus den Anfangsjahren. © Canton

Echten Wein macht man immer noch aus Trauben. An diesen ehernen Grundsatz erinnert der sizilianische Witwer Matteo Scuro am Ende seines Lebens – Marcello Mastroianni in einer von so vielen Glanzrollen – seine fünf Kinder, die sich entgegen dem mühevoll erweckten Anschein nicht zu Erfolgsmenschen entwickelt haben. Klarheit und Wahrhaftigkeit: Die virtuos im Film „Allen geht´s gut“ aus dem Jahre 1990 servierte metaphorische Lebensregel – musikalisch untermalt vom legendären Ennio Morricone – lässt sich hervorragend auf das 50. Jubiläum von Canton anwenden. Bei dem hessischen Lautsprecherhersteller dreht sich passend zur geografischen Herkunft seit 1972 ebenfalls alles um reinen Wein. Beziehungsweise um unverfälschte akustische Abbildungstreue, wofür bekanntlich der Begriff „High Fidelity“ übersetzt steht.

Den äußeren Anlass zur Gründung eines Unternehmens gab den beiden Hi-Fi-Enthusiasten Günther Seitz und Wolfgang Seikritt 1971 der Verkauf der Lautsprechermarke Heco, für die sie jahrelang gearbeitet hatten, aus dem Taunus nach England. Gemeinsam mit zwei weiteren Mitstreitern – Otfried Sandig, einem Vertriebsprofi, und Hubert Milbers, Experte in Sachen EDV – machten sie sich auf die Suche nach Räumlichkeiten. Die fanden sie in einem leerstehenden Schulgebäude in Weilrod, einer kleinen Gemeinde im Hochtaunuskreis. Wer weiß, ob das der Grund dafür war, dass bereits kurz danach die Realisierung von lehrbuchmäßig gut klingenden Schallwandlern gelang, die noch dazu bezahlbar waren …

Erfahrungsbericht: Canton hilft gegen Schreibblockaden

Statt die Geschichte von Canton nachzuerzählen oder Produktnamen und technische Details herunterzubeten (die Unternehmenswebsite bietet hierzu manch spannenden Einblick), geben wir lieber einen Teil unserer eigenen Geschichte preis und outen uns als langjährige „Cantonisten“, sofern ein solches Wort überhaupt existiert.

Fangen wir folgendermaßen an: Während des Verfassens dieser Zeilen schweift der Blick im Redaktionsbüro häufig in Richtung eines „geerbten“ Canton-Paares vom Typ LE 600, das Mitte der 1970er-Jahre hergestellt wurde. Bauform: großer (knapp 50 Zentimeter hoher) 3-Wege-Regallautsprecher, mattweiß lackiert mit abgerundeten Kanten und mattsilbernem Gitter. Ganz im optisch nüchternen Stil der damaligen Zeit. Pures Understatement gemessen an dem noch heute exzellenten Klang. Die Verrentung ist für die nächsten Zeit nicht geplant. Wozu auch? Die Detailauflösung und – falls nötig – der Punch der für bis zu 45 Quadratmeter große Räume ausreichenden Boxen können sich unverändert hören lassen und stehen einem später hinzugekommenen zweiten Standlautsprecher-Paar aus den 1990er-Jahren nahezu in nichts nach. Genau das richtige Werkzeug für die zur Vermeidung oder Auflösung von Schreibblockaden empfehlenswerte regelmäßige Dosis Gesang und Töne. Daraus übrigens setzt sich auch der Name „Canton“ zusammen – aus „cantare“, lateinisch für singen, und dem Wort „Ton“.

„Made in Germany“ vom Feinsten

Nur zur Verdeutlichung ein Vergleich: Wir sprechen hier rein historisch betrachtet über das Äquivalent eines Telefons mit Schnur und Wählscheibe im Verhältnis zum neuesten Smartphone. Nun wollen wir nicht behaupten, dass die Hi-Fi-Welt nach den 1970er-Jahren nicht den einen oder anderen technologischen Schritt nach vorn gemacht hat. Unsere betagten Canton-Boxen aus der Anfangszeit der Marke lässt das jedoch in keinster Weise alt aussehen. Weder im übertragenen Sinne noch wortwörtlich. Die Verarbeitungsqualität – „Made in Germany“ vom Feinsten – verhinderte das.

Um nicht missverstanden zu werden: Fortschritt ist etwas Großartiges. Wichtig ist und bleibt indes die folgende Frage: Wie verbessert Technik unser Leben wirklich – und zu welchem Preis (für Mensch und Natur)? Am Ende des Tages und jenseits von Marketingversprechen zählt die Substanz. Wir erinnern uns: Wein macht man aus Trauben. Böse Menschen versuchten das in den 1980er-Jahren in Österreich einmal mit Frostschutzmittel und sind grandios gescheitert. Leider rissen sie dabei ihr gesamtes Land mit sich in den umsatztechnischen „Weinkeller“ und lösten eine jahrelange Vertrauenskrise aus, die unzählige rechtschaffene Betriebe ruinierte.

Wir sind nicht verrückt

Trotzdem sich bei Canton in 50 Jahren einiges verändert hat, ist es erfreulich zu sehen, dass man es nach wie vor versteht, den eigenen Grundsätzen gemäß hohe und höchste Qualität frei von albernen Mätzchen abzuliefern. Produkte, die nicht bloß dem ersten Eindruck nach gut sind, sondern über Jahrzehnte hinweg – und entsprechend lange halten. Für uns – Sie wissen das, wenn Sie unser Journal regelmäßig lesen – ein im Hinblick auf Nachhaltigkeit elementar wichtiges Kriterium für gelungenes Design.

Würden wir uns aufgrund unserer Erfahrungen eines Tages wieder für Lautsprecher aus dem Hause Canton entscheiden? Nun, wir wären gewiss verrückt, zögen wir das nicht wenigstens in Erwägung.

Zum Schluss ein Disclaimer, den wir, um unser stetig wachsendes Stammpublikum nicht zu langweilen, fast immer weglassen. Auch dieser Beitrag entstand – wie jeder bei COLD PERFECTION – auf eigene Veranlassung und ohne jede Beeinflussung, pekuniäre oder sonstige Anreize durch Dritte. Anders als so viele Medien heutzutage sind wir beim Thema Unbestechlichkeit und Aufrichtigkeit nämlich genauso stur und altmodisch wie Matteo Scuro. Sie erinnern sich? Das war der eingangs erwähnte alte Sizilianer mit den Trauben.

Weitere Informationen:
Canton Elektronik GmbH + Co. KG
www.canton.de

Bildhinweis:
Die Unternehmensgründer und der typische weiße Canton-Bus aus den Anfangsjahren. © Canton

 
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