Eyetracking und Usability: Verborgenes sichtbar machen – Screenshot (Ausschnitt) aus dem Einsatz der EYEVIDO-Lösung.

Wie gelingt die digitale Transformation? Vor allem sollte ein positives Nutzererlebnis in den Mittelpunkt aller Überlegung für Technologielösungen gestellt werden. Gute Usability (Gebrauchstauglichkeit) ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor und nicht, wie leider oft zu beobachten, ein Randaspekt. Bereits bei der Anforderungsanalyse muss dieser Aspekt in die Entwicklung einfließen.

Eine gute Benutzerschnittstelle wird mit unterschiedlichen Methoden und Werkzeugen aus den Anforderungen für eine digitale Lösung entwickelt. Wichtig ist eine frühzeitige Berücksichtigung dieses Aspekts und die nachhaltige Integration in die Umsetzungsprozesse. Es ist dabei von nachrangiger Bedeutung, ob ein Projekt nach einem klassischen V-Modell (Vorgehensmodell für IT-Entwicklungsprojekte der Bundesrepublik Deutschland, Anm. d. Red.) oder agil (iterative und inkrementelle Vorgehensweise, Anm. d. Red.) umgesetzt wird.

Viel herausfordernder ist es, die notwendige Qualifikation in das Projektteam zu holen. Ein Mitarbeiter aus der IT meint mit „Design“ nicht unbedingt „hübsch“. Ein Designer versteht funktionale und abstrakt beschriebene Anforderungen unter Umständen nur in Teilen. Ganz praktisch bedeutet dies: Es wird ein Vermittler zwischen Anwendung und Technik, zwischen Fachlichkeit, Design und guter Usability benötigt.

Der beste Kompromiss gewinnt

Experten für Usability bauen sehr auf Erfahrung. Es gibt Regeln, harte und eher weiche. Viele Aspekte lassen sich nicht auf eine „richtig-falsch“-Betrachtung reduzieren. Darüber hinaus verlangt ein erfolgreiches Projekt, dies schließt die Entwicklung einer guten Benutzerschnittstelle ausdrücklich ein, nach Kompromissen. Funktionale Ansprüche, nicht funktionale Anforderungen, das Marketing, die gewählte Entwicklungsumgebung, Designvorgaben – jeder Bereich verlangt nach der aus seiner Sicht optimalen Lösung. Wer hier den besten Kompromiss finden kann, hat gewonnen.

Für die Diskussion in einem heterogenen Team müssen – sollen kompetente Entscheidungen getroffen werden – die wesentlichen Fakten transparent und verständlich aufbereitet werden. Nur wer ein Problem versteht, kann gute Entscheidungen treffen. Für die Suche nach Kompromissen ist daher eine verständliche Vermittlung entscheidend. Im Bereich der Usability kann ein Werkzeug in dieser Hinsicht ausgesprochen hilfreich sein: Die Blickspuranalyse, auch „Eyetracking“ genannt.

Eyetracking liefert harte Daten

Im Gegensatz zu anderen Verfahren, die etwa auf Heuristiken beruhen, können durch Eyetracking „harte Daten“ gewonnen werden. Die Blickbewegung und Blickverläufe werden objektiv erfasst. Neben dieser Faktensammlung visualisiert der Eyetracker sehr verständlich die Probleme bei der Interaktion der Nutzer mit dem System. Das führt selbst bei unseren sehr erfahrenen Usability-Experten immer wieder zu Aha-Effekten. Für uns ist das Eyetracking daher ein etabliertes und häufig genutztes Verfahren. Zusammen mit dem nötigen Wissen für die Interpretation der Daten ermöglicht Eyetracking eine gezielte Optimierung der Usability eines Online-Angebots.

Authentische Situation entscheidend

Während in früheren Eyetrackern noch recht unbequeme Helme oder andere, verwegene Konstruktionen zum Einsatz kamen, stören moderne, nicht intrusive Geräte den Probanden praktisch nicht mehr. Ein wichtiges Detail, da eine nicht authentische Situation beim Testen das Ergebnis deutlich verändern kann. Wenn sich zum Beispiel ein männlicher Proband beobachtet fühlt, kann es sein, dass er den Blick auf das „schöne Mädchen von Seite 1“ vermeidet (er versucht es, wird es aber in vielen Fällen nicht schaffen).

Ein moderner Eyetracker besteht grundsätzlich aus Infrarotlicht emittierenden Leuchtdioden. Das ausgesendete IR-Licht wird von der Netzhaut reflektiert und von Sensoren des Eyetrackers aufgezeichnet. Damit wird es möglich, die Blickrichtung des Nutzers bei der Interaktion mit der Benutzerschnittstelle aufzuzeichnen.

Es gibt in der Zwischenzeit sogar Lösungen, die auf eine spezielle Hardware gänzlich verzichten. Hier wird die Webcam des Bildschirms für die Aufzeichnung der Blickrichtung benutzt. Bei nur einer Kamera wird es allerdings schnell ungenau. Daher sieht man bei diesen Lösungen häufig Hinweise wie: der Proband solle auf keinen Fall den Kopf während des Tests bewegen. Damit sind wir wieder bei einer intrusiven Variante: Entweder werden die Ergebnisse bei der Messung ungenau oder der Proband wird in eine unnatürliche und sein Verhalten beeinflussende Haltung gezwungen.

Die „Crowd-Lösung“

Aus unserer Sicht die fast ideale Lösung für eine Eyetracking-Studie stellt ein Setup dar, dass man als „Crowd-Lösung“ beschreiben könnte. Einen Teil der Probanden testen wir in unserem Labor. Den restlichen Probanden müssen wir nur ein kleines Paket senden. Ansonsten können sie eigenständig den Test durchführen. Die Probanden haben dazu den Eyetracker eingesteckt, eine kleine Anwendung installiert und dann im Browser den Test gestartet. Wir können die Studien online vorbereiten und ebenfalls über den Browser die Auswertungen erstellen.

Im Ergebnis bedeutet das: geringe Kosten und eine hohe Qualität bei den Studien. Dazu kommt, dass bei diesem Setup ein Versuchsleiterartefakt – also eine das Ergebnis verfälschende, unbewusste Beeinflussung durch den Versuchsleiter – praktisch ausgeschlossen werden kann.

Die von uns genutzte Lösung wird von einem Spin-off des Institute for Web Science and Technologies (Institute WeST) der Universität Koblenz, der 2015 gegründeten EYEVIDO GmbH, zur Verfügung gestellt und unter dem Namen EYEVIDO vertrieben. EYEVIDO kombiniert die Genauigkeit eigener Hardware, wie bei den bisherigen Desktop-Lösungen, mit der Flexibilität einer Crowd-Lösung.

Elegant und effektiv

Bei EYEVIDO können wir die gesamte Studie, alle Fragestellungen und alle Ziele für den Test im Browser erstellen. Das klappt bestens. Das hier abgebildete Beispiel zeigt die Website der Neusser Bauverein AG (www.neusserbauverein.de). Hier wurde ein Chat-Angebot als neues Kommunikationsmittel eingesetzt und uns hat interessiert, ob dieses Modul von den Nutzern gesehen und für Problemlösungen genutzt wird. Nach der Anlage der Zielseiten und dem Verfassen der Anweisungen für die Probanden, konnte der Test innerhalb von einer Woche durchgeführt werden.

Ein kleiner Teil der Tests wurde in unserem Testlab durchgeführt. Mehr als die Hälfte der Untersuchungen konnte direkt am Arbeitsplatz der Probanden durchgeführt werden. Dazu haben wir die Eyetracker-Hardware auf dem Postweg und eine kurze Anleitung via Mail verschickt. Die Auswertung erfolgte anschließend wieder über den Browser. Das ist elegant und effektiv.

Der Autor:
Detlef Beyer ist Geschäftsführer der Kölner Agentur Medienkonzepte. Er ist seit vielen Jahren als Berater zu den Themen Usability, Barrierefreiheit und als Coach für heterogene Teams im Umfeld von digitalen Transformationsaufgaben unterwegs.

Weitere Informationen:
Medienkonzepte
www.medienkonzepte.de

EYEVIDO GmbH
www.eyevido.de

Bildhinweis:
Screenshot (Ausschnitt) aus dem Einsatz der EYEVIDO-Lösung. (Quelle: EYEVIDO / Medienkonzepte)