
Unter dem Apfelbaum: 40 Jahre Öko-Institut
Aus Anlass seines 40. Jubiläums lädt das Öko-Institut auf der Basis eines Katalogs von Ideen für eine nachhaltige Zukunft zum gesellschaftlichen Diskurs ein. Eine gute Idee, gibt es doch gerade hier einen großen Nachholbedarf.
„Keine Verbesserung ist zu klein oder geringfügig, als dass man sie nicht durchführen sollte.“ – Theodor W. Adorno
Sogar wenn es optimal läuft, ist das Leben nicht mehr als eine Stippvisite. Als „kosmische Nanosekunde“ bezeichnete es Hoimar v. Ditfurth in seinen Lebenserinnerungen [1]. Immerhin reichte die Dauer eines durchschnittlichen Menschenlebens aus, um unseren Planeten in einer Weise umzugestalten, dass es jeder Beschreibung spottet. Kein Quadratmeter Landfläche, kein Tropfen irgendeines Gewässers, der nicht deutliche ‚Fingerabdrücke‘ unseres zivilisatorisch-technischen Tuns aufweist.
Am Scheideweg
„Extrapoliert man“, schrieb von Ditfurth seinerzeit, „was unserer Art in ihrer nächsten Zukunft bevorsteht, aus dem bisherigen Verlauf ihrer Geschichte, kann einem wahrlich angst und bange werden.“ [2]
Heute, knapp dreißig Jahre später, steht die Menschheit mehr denn je am Scheideweg. Hierzulande hat die Bevölkerung mehrheitlich gute Chancen, das für 2050 prognostizierte Anwachsen der Erdbevölkerung auf zehn Milliarden Menschen zu erleben. Besser, wenn man die nutritiven und energetischen Bedarfe bis dahin ohne weitere Verheerungen stillt. Sonst dürfte es ungemütlich werden.
Unentwirrbarer Knäuel
Zum Mammutprojekt der Bewahrung der Tragfähigkeit der Ökosysteme gesellt sich der ungebrochene Irrsinn militärischer Hochrüstung und Konfrontation. Aus dem ehemals klaren Gleichgewicht des Schreckens wird ein unentwirrbarer Knäuel.
Ein weiterer Grund für die Zunahme von Unsicherheit und unterschwelligen Ängsten, die von den gewaltigen, jeden betreffenden Umbrüchen durch Globalisierung und Digitalisierung zusätzlich befördert werden.
Pirouetten und Verfehlungen
All das offenbart ein enormes Defizit: Es existiert (nicht nur in Deutschland) praktisch kein klarer, realistischer und aus einer breiten öffentlichen Debatte gespeister Zukunftsentwurf. Geschweige denn eine Einigung über den Weg. Einige Stichworte aus den vergangenen Jahren reichen, um das zu verdeutlichen: das beispiellose Pirouettieren im Zusammenhang mit dem Atomausstieg, die – freundlich formuliert – halbherzige Politik rund um Themen wie E-Autos und Energietrassen oder das Verfehlen der deutschen Klimaziele [3].
Frei nach Erich Kästner
Unlängst brachte es Prof. Dr. Rainer Grießhammer, Geschäftsführer des Öko-Instituts, gut auf den Punkt, als er erklärte: „In unserer Zeit, die von zum Teil tiefgreifenden Umbrüchen geprägt ist, fehlt es an positiven Leitbildern für die Zukunft.“ [4] Doch woher sollen sie kommen?
Frei nach Erich Kästner („Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“) bietet sich das Öko-Institut nun selbst an und lädt zur Diskussion ein, indem es eine „einzigartige Sammlung visionärer und zugleich handhabbarer, wissenschaftlich abgesicherter Ideen“ präsentiert, wie Grießhammer es ausgedrückt hat [5].
Öko-Institut: Im Kern zuversichtlich
Der Zeitpunkt ist mit Bedacht gewählt. Aktuell feiert das Öko-Institut sein 40. Jubiläum. 1977 aus der Anti-Atomkraft-Bewegung hervorgegangen, hat es sich längst zu einem bedeutenden gesellschaftlichen Akteur entwickelt, den eine ideologiefreie Sicht ebenso auszeichnet wie Weitblick und Pragmatismus.
In die Anfangsjahre des Öko-Instituts fällt die Veröffentlichung eines Buchs von Hoimar v. Ditfurth, das für die Umweltbewegung eine herausragende Rolle gespielt hat. Trotz seines durch die Erwartung der baldigen Selbstzerstörung der Menschheit gespeisten, düsteren Tenors, ist das titelgebende Fazit, das auf ein Martin Luther zugeschriebenes Zitat rekurriert, im Kern zuversichtlich: „So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen. Es ist soweit.“ [6]
Im Schatten des Apfelbaums
Im übertragenen Sinn dürfen sich die Menschen, die das Öko-Institut aufgebaut und getragen haben, im Schatten eines inzwischen stolzen Apfelbaums einen Moment lang ausruhen und mit Freude die eigenen Leistungen Revue passieren lassen – sowie all das, was sich in den letzten Jahrzehnten zum Positiven gewandelt hat und zu Hoffnung Anlass gibt. Zum Beispiel die teilweise dramatische Verbesserung der Wasserqualität unserer Flüsse. Ihre einstige Verseuchung binnen weniger Jahrzehnte hat von Ditfurth eindrucksvoll beschrieben [7].
Im „Jubiläumsblog“ des Öko-Instituts findet man – neben Glückwünschen von anderen – das, was sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre und unsere Zukunft wünschen [8]. Vieles, was man da lesen kann, stimmt optimistisch. Eine defätistische Grundhaltung wäre freilich auch keine gute Voraussetzung für die Bewältigung der selbst gestellten Aufgaben.
Als Außenstehende können wir uns ebenfalls etwas wünschen: dass sie – und inspiriert durch sie auch andere Idealisten – noch möglichst viele Bäume pflanzen. Im wörtlichen und übertragenen Sinn. Die Welt hat es dringend nötig.
Quellen:
[1] Ditfurth, H. v. (1989): Innenansichten eines Artgenossen: Meine Bilanz. Düsseldorf.
S. 390.
[2] ibd. S. 391
[3] Knaup, H. Problem Erderwärmung: Adieu Klimaziel. In: Spiegel Online. Stand: 06.11.2017. URL: http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/erderwaermung-deutschland-scheitert-beim-klimaschutz-a-1138926.html
[4] vgl. die Pressemeldung des Öko-Instituts: Zukunft heute beschreiben: Visionen, Analysen, Lösungen des Öko-Instituts zum 40. Jubiläum. Stand: 07.11.2017. URL: https://www.oeko.de/presse/archiv-pressemeldungen/2017/zukunft-heute-beschreiben-visionen-analysen-loesungen-des-oeko-instituts-zum-40-jubilaeum/
[5] ibd.
[6] Ditfurth, H. v. (1985): So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen – Es ist soweit. Hamburg.
[7] s. [1], S. 392
[8] http://40.oeko.de
Rubrik Green Planet
Autor redaktion