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Mit fast sechzigjähriger Verspätung kann heutzutage endlich jeder auf Audrey Hepburns Spuren bei Tiffany frühstücken [1]. Zwar hat das neue „Blue Box Cafe“ mit der weltberühmten cineastischen Breakfast-to-go-Variante streng genommen wenig gemein, doch umgekehrt ist New York mehrere Identitätskrisen später ebenfalls ein völlig anderer Ort als in den eleganten frühen Sechzigern. Was allerdings jetzt auf den Big Apple – ja auf den Lebensraum Stadt insgesamt – zukommt, dürfte der Metamorphose des ärmlichen Landeis Lula Mae Barnes zum mondänen Partygirl Holly Golightly in nichts nachstehen. Zumindest wenn es danach geht, was aktuell auf Konferenzen zum Thema Smart Cities diskutiert wird. Anders ausgedrückt brachte die letzte vergleichbare urbane Revolution elektrischen Strom und Kutschen ohne Pferde.

Selbstzerstörerischer Lebensstil

Mit Energie und Mobilität wären gleich zwei der zentralen Herausforderungen genannt, vor denen Städte für jeden unschwer erkennbar bereits stehen. Für die Mitte des Jahrhunderts rechnet man aber mit einer deutlichen Zunahme der Verstädterung: zwei Drittel von knapp zehn Milliarden Menschen werden voraussichtlich in ihnen leben [2]. Wenn sie wirklich dem Wortsinn nach zu Smart Cities werden sollen, muss es bis dahin gelingen, den selbstzerstörerischen Lebensstil aus Umweltverschmutzung und Ressourcenvernichtung zu stoppen, auf dem nach wie vor alles basiert.

Bislang jedenfalls gilt die Qualität der Stadtluft als Ursache für den vorzeitigen Tod von jährlich mehreren Millionen Menschen weltweit [3]. Das geht zum großen Teil auf das Konto einer Erfindung, der eine Frau namens Bertha Benz 1888 mit ihrer abenteuerlichen Fahrt von Mannheim nach Pforzheim (und zurück) zum Durchbruch verhalf. 130 Jahre danach zeigt sich nicht nur in den am schnellsten wachsenden Megastädten, sondern sogar im beschaulichen schwäbischen Musterländle: Das Automobil in seiner bisherigen Form ist vom Problemlöser zu einem der größten Probleme geworden.

Das Übel an der Wurzel packen

Nicht minder antiquiert als die Idee, Natur und Rohstoffe unwiederbringlich zu verbrauchen und die Luft zu verpesten, um von A nach B zu gelangen – was sich zu allem Überfluss mehr und mehr in Schrittgeschwindigkeit abspielt –, sind traditionelle Raumordnungskonzepte. Als vor Jahrzehnten längst klar sein musste, wohin das führt, wirkten sie weiter als Treiber des Straßenverkehrs.

Städte künftig primär dezentral zu denken, für die Überwindung der künstlichen räumlichen Trennung der Bereiche Wohnen, Arbeit, Versorgung und Freizeit zu sorgen und lange Wege zur Ausnahme zu machen, würde das Übel an der Wurzel packen. Das brächte nebenbei wichtige Wettbewerbsvorteile. Schließlich konkurrieren Städte ähnlich wie Unternehmen um junge, gut ausgebildete Menschen. Lebensqualität heißt in dem Zusammenhang das Zauberwort, Postmaterialismus beziehungsweise bewusster Konsum der Modus Operandi.

Seiner Zeit weit voraus

Erstaunlich wie weit „Frühstück bei Tiffany“ angesichts dessen seiner Zeit voraus gewesen ist. Anstelle des vermeintlich käuflichen Glücks rückt ausgerechnet ein alberner Blechring – die Zugabe aus einer Süßigkeitenschachtel – in den Mittelpunkt und wird zum Symbol für die Beziehung zweier freier und gleichberechtigter Menschen, die auf Konventionen pfeifen. Die Fifth Avenue mit besagtem Luxusjuwelier wird lediglich als irgendein Ort eingeführt, an dem sich die innerlich zerrissene Protagonistin vor den Geistern aus ihrer Vergangenheit sicher fühlt.

Smart Cities im Fadenkreuz von Hackern

Gefühlte und tatsächliche Sicherheit ist natürlich ein ebenso großes Thema für Smart Cities – insbesondere im öffentlichen Raum. Damit die Stadt von morgen neben all ihrer Effizienz und nachhaltigen Ausrichtung zum lebens- und liebenswerten Aufenthaltsort wird, den man nicht fluchtartig durchquert, muss sie hierbei besonders punkten. Nur drohen inzwischen nicht länger bloß handgreifliche Gefahren. Weil die Infrastruktur – von kritischen Einrichtungen wie Energie- und Wasserversorgung bis hinab zur letzten Straßenlaterne und zum hintersten Abfallbehälter – Schritt für Schritt miteinander vernetzt wird, geraten Städte vermehrt ins Fadenkreuz von Hackern [4].

Zutritt untersagt

Eingedenk der Perspektive vollständiger Vernetzung gewinnt ein zusätzliches Thema im Zusammenhang mit Smart Cities an Bedeutung: Datenschutz respektive Freiheit. Nicht nur in Ländern, in denen die Bevölkerung keinerlei Mitspracherecht besitzt, wachsen die Begehrlichkeiten, die verfügbaren Überwachungstechnologien unter dem Vorwand einzusetzen, die Menschen besser vor Gefahren zu schützen. Die lückenlose Überwachung bedroht jedoch zweifelsohne die Entwicklungs- und Wettbewerbsfähigkeit von Gesellschaften und somit den Wohlstand breiter Schichten. Schlimmstenfalls ebnet sie den Weg in ein neofeudales Zeitalter. Dem Volk wäre es dann womöglich untersagt, sich glanzvollen Orten wie Tiffany zu nähern, wo die wenigen Privilegierten nach Zerstreuung suchen.

Quellen:

[1] http://press.tiffany.com/News/NewsItem.aspx?ID=324

[2] http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52705/verstaedterung?zahlenfakten=detail

[3] https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2017-10/umweltverschmutzung-krankheiten-todesfaelle-studie

[4] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Sicherheitsrisiko-Smart-City-Experten-warnen-vor-Angriffen-auf-smarte-Staedte-3687556.html