Die hierzulande jährlich verpuffende industrielle Abwärme entspricht dem Energieverbrauch Dänemarks. Bipolymere könnten sie günstig in Strom umwandeln.

Die Zeit für das Erreichen der 2015 beim Pariser Klimaabkommen beschlossenen Ziele wird knapp. Um die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich weniger als zwei Grad Celsius anwachsen zu lassen, müssen die weltweiten CO2-Emissionen schnell abgesenkt werden. 2017 sprach sich eine Gruppe wissenschaftlicher Autoren in einem Beitrag der Zeitschrift Science für eine verbindliche Roadmap aus. Sie sieht pro Dekade eine Halbierung der Netto-Emissionen vor [1]. Angesichts der gegenwärtigen Diskrepanz zwischen wissenschaftlich fundierten Zielen und den jeweiligen nationalen Engagements, auf die die Autoren hinwiesen, erscheint der Plan jedoch ambitioniert.

Allein hierzulande ließen sich nach Angaben der Deutschen Energie-Agentur jährlich rund 37 Millionen Tonnen klimaschädliches CO2 einsparen, würde man industrielle Abwärme konsequent vermeiden beziehungsweise nutzen [2]. Das finanzielle Einsparpotenzial beträgt mehrere Milliarden Euro. Hilfreich zur Einordnung der Zahlen: Laut Umweltbundesamt (UBA) entspricht die Energiemenge, die jedes Jahr von der deutschen Industrie ungenutzt in die Luft entlassen wird, dem Energieverbrauch Dänemarks [3]. Doch wie lässt sich der Schatz am einfachsten heben? Genau hierauf will der Wirtschaftschemiker Martin Huber die Antwort gefunden haben. Sein Ansatz besteht aus zweilagigen Kunststoffstreifen, genannt Bipolymere.

Funktionsweise der Bipolymere

Bipolymere kann man in puncto Aufbau und Funktionsweise gut mit Bimetallen vergleichen. Ähnlich wie sie verformen sich Bipolymere bei Erwärmung. Durch anschließende Abkühlung kehren sie zur Ausgangsform zurück. Als Rad oder Band in eine Wärmekraftmaschine oder ein Solarmodul integriert, erzeugen sie durch Temperatureinflüsse Bewegung. Mittels eines Generators wird daraus Strom. Sowohl Sonnenwärme auf Hausdächern als auch Abwärme von Kraftwerken, Fabrikanlagen oder Rechenzentren soll – so das Ziel von Huber – mit ihrer Hilfe profitabel in Strom umgewandelt werden.

„Bisher gibt es keine so preisgünstige Technologie, die bei Temperaturen von 50 Grad Celsius bis 200 Grad Celsius aus Abwärme grünen Strom produzieren kann. Zudem lassen sich die Wärmekraftmaschinen und die Bipolymere in großen Mengen und preiswert herstellen“, erklärt Huber. Bei der Produktion der Bipolymere selbst entstünden sogar kaum Kosten, da passende Produktionsanlagen zum einen bereits bestehen und ihre Herstellung zum anderen nur sehr wenig Energie erfordert.

Milliardenschwere Schlüsseltechnologie

Hubers Erfindung könnte sich zu einer milliardenschweren Schlüsseltechnologie entwickeln, denn der weltweite Abwärmemarkt soll von gut 40 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr 2018 auf mehr als 80 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr 2025 wachsen, so das Ergebnis einer Studie von Global Market Insights Inc. von Anfang 2019 [4]. Für Deutschland rechnen die Marktforscher immerhin mit einem Marktumsatz von fünf Milliarden Dollar im Jahr 2025.

Ein erklärtes Ziel Hubers für die weitere Entwicklung der Bipolymer-Wärmekraftmaschine ist das Unterbieten der Anschaffungskosten von Photovoltaik-Anlagen. Gegenüber diesen besitzen Bipolymere außerdem den Vorteil, dass sie günstiger recycelt werden können. Anders als Solarzellen enthalten Bipolymer-Systeme nämlich keine Spuren giftiger Schwermetalle, was die Umwelt zusätzlich schont.

Weitere Informationen:
poligy GmbH
www.poligy.com

Quellen:

[1] https://science.sciencemag.org/content/355/6331/1269

[2] https://www.dena.de/newsroom/meldungen/2017/zehn-unternehmen-fuer-dena-projekt-leuchttuerme-energieeffiziente-abwaerme-ausgewaehlt/

[3] https://www.presseportal.de/pm/121990/3631268

[4] https://www.globenewswire.com/news-release/2019/02/20/1738074/0/en/Waste-Heat-Recovery-System-Market-to-hit-80-billion-by-2025-Global-Market-Insights-Inc.html