Der weltweite Bauboom führt zur Verknappung der für die Herstellung von Beton benötigten Sande und zu immer größeren CO2-Mengen durch die Zementherstellung.

Für Verluste an der Börse gilt: Zum Schluss ist das Geld nicht weg, es ist nur woanders. Ganz ähnlich verhält es sich beim Thema Sand. Ganze Strände und riesige Mengen Meeresboden verschwanden überall auf der Welt bereits. Oder besser gesagt: sie wurden – nicht immer legal – abtransportiert, um den weltweiten Bauboom in Gang zu halten. Denn der verschlingt Jahr für Jahr zig Milliarden Tonnen Sand, der unter anderem als Grundstoff für die Herstellung von Beton gebraucht wird.

Von wegen wie Sand am Meer

Die Beton- und Bauindustrie ist derweil nicht der einzige Großabnehmer von Sand. Unzählige Alltagsprodukte wären ohne ihn nicht darstellbar, weshalb er zu den wichtigsten Rohstoffen gehört. Weil mehr Sand verbraucht wird, als sich auf natürliche Weise neu bildet, ist um das rieselnde Gold längst ein keineswegs sportlicher Wettlauf entbrannt, der enormes Konfliktpotenzial besitzt.

Zusätzlich zu den Fragen des verantwortungsvollen Umgangs und der gerechten Verteilung gibt es weitere Herausforderungen – etwa für den Küstenschutz. Der Raubbau macht den Anstieg des Meeresspiegels gefährlicher, als er ohnedies ist. Besonders dramatisch sind die Auswirkungen im Indischen Ozean. Hier ließ der Abbau vor der Küste inzwischen mehrere der aus Sand bestehenden Malediven-Inseln abrutschen und im Meer verschwinden.

Beton aus Wüstensand?

Doch warum fördert man eigentlich Sand aufwändig vom Meeresboden, obschon er vielerorts auf der Welt im Überfluss vorhanden ist? In Nordafrika zum Beispiel wird mit großem Aufwand gegen die Ausbreitung der Sahara gekämpft.

Die Antwort liegt in der Struktur des Sandes. Während der Sand vor den Küsten eine raue und grobe Beschaffenheit besitzt, ist Wüstensand äußerst fein und glatt. Das wäre nicht schlimm, wenn man mit ihm lediglich Sanduhren befüllen wollte. Für die Betonherstellung ist Wüstensand hingegen bislang ungeeignet, da sich die Körner nicht verzahnen und dem Gesamtgefüge so die nötige Stabilität fehlt.

Pellets als Lösung?

Im vergangenen Jahr ließen Berichte aufhorchen, wonach es einem Münchner Unternehmen namens Multicon gelungen sein soll, durch ein dreistufiges Verfahren Fein- beziehungsweise Wüstensande so aufzubereiten, dass sie für die Betonherstellung genutzt werden können. Das Prinzip dahinter wirkt paradox: Im ersten Schritt wird der Sand mittels Walzmühlen zu noch feinerem Sandmehl gemahlen.

Der zweite Schritt führt jedoch erkennbar in die andere Richtung, indem aus dem Sandmehl unter Zusatz einer Suspension bis zu 16 Millimeter große, nicht wassersaugende Pellets gewonnen werden. Diese werden im dritten Schritt als Zuschlagstoff zur Produktion von hochwertigem Beton eingesetzt. Nach Angaben von Multicon soll dieser schneller aushärten und außerdem fester und 15 Prozent leichter sein als Standardbetone.

Zähmung des Klimakillers Zement

Neben Sand, Wasser und Kies enthält Beton einen weiteren Stoff, der Sorgen bereitet: Zement. Bei der Zementherstellung entstehen pro Tonne rund 700 Kilogramm Kohlendioxid. Obgleich das weniger ist, als beispielsweise bei der Stahlerzeugung, liegt der Anteil der Zementindustrie am globalen Kohlendioxidausstoß aufgrund der riesigen Produktionsmenge bei circa sieben Prozent, Tendenz steigend.

Einem Aufruf des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) folgend, haben Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) begonnen, alternative Zement- und Betonarten zu entwickeln, bei deren Herstellung weniger Kohlendioxid freigesetzt wird. Ein Ansatz, der hierbei verfolgt wird, ist die Substitution der Grundstoffe, sodass mit geringeren Temperaturen gearbeitet und somit der Energieverbrauch und CO2-Ausstoß gesenkt werden kann.

Beton als CO2-Speicher

Zement wird für gewöhnlich bei rund anderthalbtausend Grad Celsius gebrannt. Bei veränderter Rezeptur könnte die Temperatur um 200 Grad abgesenkt und damit sehr viel CO2 eingespart werden – ganz abgesehen vom Dekarbonisierungspotenzial der hierfür benötigten Energieproduktion. Überdies hätte der Austausch der bis dato wichtigen Zutat Kalkstein einen enormen Effekt, denn dieser reagiert bei der Zementherstellung chemisch, wodurch der größte Teil des Kohlendioxids entsteht.

Die Empa-Forscher suchen derzeit Ersatzstoffe für Kalkstein, die zwei Probleme gleichzeitig lösen. Abfälle aus anderen Industriebereichen, darunter Schlacken aus der Schrottaufbereitung, sind aussichtsreiche Kandidaten. Fast zu schön, um wahr zu sein, klingt die Idee vom alkali-aktivierten Zement, der den Brennvorgang überflüssig macht. Und sogar an Zement mit einer negativen CO2 Bilanz wird geforscht. Beton könnte dann quasi als CO2-Speicher fungieren. Zwar muss man die Praxistauglichkeit erst nachweisen, aber so viel scheint schon festzustehen: Mit genügend Forschung lässt sich beim Beton das Rohstoffproblem lösen – also quasi die Sanduhr anhalten – und zugleich die Klimaverträglichkeit darstellen.

Weitere Informationen:

Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt)
www.empa.ch

MultiCON GmbH
www.multicongroup.com